Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 138

16.56

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Antrag auf Fristsetzung mit Nachdruck unterstützen, und zwar deswegen, weil es auch in der Europäischen Union, im Europäischen Parlament einen "Jährlichen Bericht über die Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union" gibt, der immer sehr umstritten, aber auch sehr wertvoll ist. In der Entschließung zur Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union 1997, die in der Sitzung am 17. Dezember 1998 verabschiedet worden ist, findet sich eine sehr lehrreiche Passage. Sie behandelt die Themen der Kinderrechte, der Frauenrechte, insbesondere im Sozialbereich, der Gleichstellung der Frauen, des Schutzes der Familie, des Schutzes des Lebens und so weiter, geht dann über zur Situation der Häftlinge und zur Problematik der Rehabilitierung.

Es heißt dort unter Punkt 70:

" ... bedauert, daß sich in der Europäischen Union Fälle von Folter, Vergewaltigung und unmenschlicher, grausamer und erniedrigender Behandlung von Verhafteten oder Gefangenen, namentlich in Polizeigewahrsam, durch Angehörige der Ordnungskräfte oder des Gefängnispersonals ereignen können; betont, daß ein solches Vorgehen oft aus rassistischen Motiven erfolgt;" – Interessant, die haben Weitblick gehabt im Europäischen Parlament Ende letzten Jahres!

Weiter heißt es unter Punkt 72:

" ... stellt mit Empörung fest, daß die Angehörigen der Ordnungskräfte, die sich solcher Taten schuldig gemacht haben, selten strafrechtlich verfolgt werden oder nur geringfügige Strafen erhalten; fordert die Mitgliedstaaten auf, mehr Entschiedenheit an den Tag zu legen, damit keine dieser Taten ungestraft bleiben;" – Ich muß sagen: beachtlich!

Punkt 72 trifft den Nagel auf dem Kopf. Wenn man die Entwicklung der letzten Tage im Fall Marcus Omofuma verfolgt, dann kann es schon sein, daß man sich zu fragen beginnt, wer denn da eigentlich getötet worden ist. Wer ist denn da eigentlich gestorben? Wem ist da Unrecht geschehen? – Es darf doch nicht wahr sein, daß gesagt wird, die armen Beamten seien in einer Situation gewesen, in der sie sich gar nicht mehr anders wehren konnten beziehungsweise in der sie den ganz langsamen Tod des Abgeschobenen sozusagen in Kauf nehmen mußten, um sich selbst zu wehren.

Ich spreche von einem ganz langsamen Tod, denn Sie müssen sich vorstellen, Ihnen würde bis auf ein Nasenloch alles zugeklebt und Sie können kaum atmen. Sie würden nicht gleich sterben, sondern ganz langsam, und gerade das macht mich besonders betroffen. Es macht mich auch betroffen, daß der zuständige Bundesminister sagt, er habe alle Maßnahmen in die Wege geleitet, damit sich so ein Vorfall nicht wiederholt. – Das ist schön und gut. Aber er hat nicht gezeigt, daß er die politische Qualität hat, so ein Amt zu führen. Es gehörte nämlich politisches Rückgrat dazu, daß man als Bundesminister für Inneres angesichts solcher Vorkommnisse zurücktritt, so wie es in anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit ist.

Erinnern Sie sich daran, daß in Los Angeles ein Schwarzer von Polizisten spitalsreif geprügelt worden ist? Der Polizeipräsident von Los Angeles ist selbstverständlich zurückgetreten! Da wurde nicht lang diskutiert, er hat innerhalb von zwei Tagen sein Amt zur Verfügung gestellt. Es ist in Belgien selbstverständlich gewesen, daß in einem ähnlichen Fall der Innenminister zurückgetreten ist. Ich frage mich: Warum braucht man in Österreich einen Mißtrauensantrag dazu? Warum kann man hier bei den Regierungsmitgliedern kein politisches Rückgrat voraussetzen? Es ist wirklich eine Absurdität: Man spricht über Menschenrechte, und diejenigen, die deren Einhaltung gewährleisten sollten, haben nicht einmal die Konsequenz zu ziehen, wenn es einmal schiefgegangen ist!

Ich halte das für eine unerträgliche Situation! Wer einen Menschen tötet, und wer das akzeptiert, ist auch bereit, ein zweites Menschenleben in Kauf zu nehmen. (Abg. Scheibner: Wer hat getötet?)


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