Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 171. Sitzung / 53

Wien sind allein 50 Prozent der Arbeitslosen ohne jegliche Ausbildung. Wo sind denn die Angebote für diese Arbeitslosen, die Qualifizierungsangebote, die Bildungsangebote? Was machen Sie heuer? – Job-coaching. Es steht nichts drinnen von Qualifizierung, von Ausbildung.

Die Arbeitslosen, die keine Ausbildung haben und von denen man weiß, sie werden keine Stelle finden, sollen sich um Stellen bewerben, und zwar schleunigst und oft bewerben. Die werden zu den Betrieben geschickt, wo man ihnen dann erklärt: Erstens bist du der vierzigste oder fünfzigste Anrufer, und zweitens haben wir keinen Job für dich. (Abg. Steibl: Aber die Langzeitarbeitslosen müssen auch wollen!)

Und als Ausweis dieser Ausbildung im Job-Coaching-Programm kehrt dann der Arbeitslose zurück in das Programm, um zu zeigen, daß er sich bei 100 oder 200 Betrieben beworben hat. Das ist ein Zynismus, das ist eine Maßnahme, die den Arbeitslosen, besonders denjenigen, die schlecht qualifiziert sind, nicht hilft! (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe Ihnen damit schon Punkt fünf genannt: Die Arbeitslosen werden im Kreis geschickt oder in der Statistik versteckt. Das ist doch eines der Probleme, und nicht zufällig geschieht das gerade im Wahljahr: Es wird überall gesucht, was man tun kann, damit die Arbeitslosen aus der Statistik hinausfliegen, damit sie vor der Arbeitslosenstatistik versteckt werden. Das ist Ihre Politik in den letzten Monaten. Gerade das Job-Coaching-Programm ist prototypisch dafür, daß nichts Positives mit den Arbeitslosen geschieht, sondern daß sie im Kreislauf gehalten werden und aus der Statistik hinausfliegen.

Kleine Korrektur, Herr Kollege Kier: Ich teile natürlich deine Auffassung zum Job-Coaching-Programm, aber das Problem ist noch viel gravierender. Es ist nicht so, wie du gesagt hast, es sind nicht sieben Stunden pro Tag, sondern maximal fünf Stunden einmal pro Woche. Und sechs Wochen dauert dieses Job-Coaching-Programm. Das heißt, die Leute werden 30 Stunden in 6 Wochen betreut. Und in diese Betreuung wird so viel hineingepackt, daß es völlig unmöglich ist, daß alles, was an Zielen für die Arbeitslosen vorgegeben wird, erreicht werden kann.

In 30 Stunden soll die Persönlichkeit entwickelt werden. Bitte, da lach‘ ich! In 30 Stunden wollen Sie die Persönlichkeit, das Selbstbild von jemandem entwickeln, der noch dazu in den Wochen dazwischen von einer Arbeitsstelle zur anderen pilgern soll und sich eine Absage nach der anderen holen muß?! Das wird furchtbar werden! Das ist Zynismus, und den werfen wir Ihnen vor! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kier.)

Der sechste Kardinalfehler: Die Arbeitslosen werden in prekäre Arbeitsverhältnisse und in Niedriglohnbereiche abgedrängt. Das ist eine nicht so erfreuliche Tendenz. Und diesbezüglich verweise ich noch einmal auf Karl Pichelmann, der das in den "Wirtschaftspolitischen Blättern" sehr deutlich und drastisch sagt, Frau Bundesministerin – das ist jetzt Wissenschaftersprache, aber ich glaube, sie ist trotzdem verständlich –: Bemerkenswert ist auch die hohe Dispersion der relativen Lohnstrukturen, die eher dem US-amerikanischen als dem durchschnittlichen europäischen Muster entspricht. – Zitatende.

Was heißt das auf deutsch? – Daß Österreich in Europa bekannt ist dafür, daß es eine hohe Spanne zwischen dem Niedriglohnbereich und den gutbezahlten Jobs gibt, daß Österreich seine Erfolge, die die Frau Bundesministerin jetzt ausweisen, darstellen und verkaufen will, nämlich die Ausweitung bei der Beschäftigung – die formelle Ausweitung, denn tatsächlich sind es ja viele Teilzeitjobs –, in den letzten Jahren vor allem dadurch erzielt hat, daß diese Ausweitung vor allem im Niedriglohnbereich erfolgt ist, also im Bereich jener Jobs, in denen Löhne gezahlt werden – der höhere Anstieg bei den Frauen ist also nicht zufällig und damit leicht erklärbar –, von denen man eigentlich nicht leben kann. Und das weisen Sie als Erfolg Ihrer Politik aus?! (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Damit komme ich zum letzten Punkt. (Abg. Koppler: Wie machen das andere Länder?) Der siebente Kardinalfehler sind die Parteipolitik in diesem Bereich und der Nepotismus. Das, was hier aufzuzeigen ist, meine Damen und Herren und Frau Sozialministerin, ist ein gravierendes Problem. Ich fange bei einem einfachen Beispiel an.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite