Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 171. Sitzung / 65

Wichtig ist auch die Senkung der Arbeitskosten. Unsere Mitarbeiter kosten zuviel, aber verdienen zuwenig. Sie haben in Ihrer zweiten Wortmeldung vorhin von der Chance des quartären Sektors gesprochen. Ja, richtig! Im sozialen Sektor, in der persönlichen Dienstleistung schlummert die Beschäftigungschance, meine Damen und Herren! Aber gerade da ist jedes Prozent Anhebung der Arbeitskosten eine Verteuerung der Endleistung um 0,4, 0,5, ja bis zu 0,8 Prozent. Da liegt der Hund begraben! Da liegt die Beschäftigung im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße! Es könnte diese Beschäftigung geben, wenn Sie sie nur zulassen würden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die neue Kultur der Selbständigkeit beweisen Sie uns damit, daß Sie den Jungunternehmern heute in der Sozialversicherung entgegenkommen. Die neue Kultur der Selbständigkeit beweisen Sie damit, daß Sie den Jungunternehmern im ersten Jahr 7 Prozent der Lohnnebenkosten senken. Damit beweisen Sie, daß Sie den Zusammenhang zwischen Lohnnebenkosten und Beschäftigung und zwischen der Mindestbemessungsgrundlage der Sozialversicherung und neuen Unternehmungen verstanden haben.

Warum tun Sie es nur bei den Jungunternehmern? – Ich will Ihnen nicht unterstellen, daß Sie sagen: Wenn ich denjenigen oder diejenige einmal mit dem Kappel gefangen habe, dann kommt er mir ohnehin nicht mehr aus, dann ist er schon Unternehmer, dann wird er es wohl hoffentlich auch bleiben! Das kann nicht der richtige Weg sein!

Meine Damen und Herren! Erleichterung des Zuganges zum Gewerbe, Verbesserungen im Wettbewerbsrecht, Öffnung der Wirtschaftsgesetze, Reform der dualen Ausbildung, Best Practice, Best Regulation und Drittvergleich sind nicht nur Worte, die wir hier in Wahlkampfstimmung sagen, sondern wir sollten dies schlicht und ergreifend auch umsetzen.

Eine abschließende Bemerkung: Sie wissen sehr gut, Herr Wirtschaftsminister und Frau Bundesminister, daß Sie heute viel an Arbeitslosigkeit nur in die Zukunft verlagern, indem Sie Beschäftigte in Frühpension schicken, indem Sie Arbeitnehmer in die Invaliditätspension schicken, indem Sie jetzt – die Regierung Kohl hat das in Deutschland auch gemacht – Arbeitslose über AMS-Schulungen auslagern, um die Statistik zu schönen. Das wissen Sie! Aber damit lösen Sie noch kein Problem. Das mag vor einer Wahl so sein, aber haben Sie einmal den Mut, auf die Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems Antworten zu finden. Weit über 200 000 Menschen in Österreich sind in Frühpension, 230 000 Menschen sind arbeitslos. Wenn man das kumuliert, so kommt man auf eine Arbeitslosenzahl, die im wirklichen Drittvergleich, in der wirklichen Vergleichbarkeit gleich hoch wie in Deutschland oder sogar noch höher ist. Sie haben das Problem wirklich nur in die Zukunft verschoben! (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Herr Bundesminister Dr. Farnleitner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

12.16

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Da ich in Fragen Ostöffnung, Osterweiterung sehr sensibel bin, möchte ich diese Lückenreklamation des Abgeordneten Peter nicht im Raum stehenlassen.

Ich habe hier im Plenum wiederholt erklärt – jüngst auch im gemeinsamen Verkehrs- und Bautenausschuß –, daß ich wahrscheinlich einer der engagiertesten Vertreter für ein zu entwickelndes offenes Verhältnis in diesem Zusammenhang bin. Ich nenne nur die Zahlen in diesem Zusammenhang.

Österreich ist mit fast 19 Prozent der Exporte und 12 Prozent der Importe das mit den neuen Ländern Osteuropas am intensivsten verflochtene Land. Ich gehe davon aus, daß wir bei den jetzigen Trends – wie in der Zwischenkriegszeit – gegen 30 Prozent in der Exportstruktur in den nächsten zehn, 15 Jahren kommen werden. Das Wachstumspotential unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarn wird von allen Instituten, deren Gutachten ich kenne, mit etwa 700 Milliarden Euro eingeschätzt. Wir wissen, daß wir in der Zwischenzeit über 14 000 Joint-ventures – siehe jüngste Studie auch des Wifo – auf die Beine gestellt haben, und daß die Klein- und


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