Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 47

sich der internationalen Entwicklung, vor allem aber auch der gesellschaftlichen Befindlichkeit anzupassen.

Besonders bemerkenswert ist, daß das von einer Partei kommt, die immer davon redet, daß es weniger Staat und mehr Privat geben sollte. Wenn es aber um die ureigensten Bedürfnisse der Menschen geht, dann soll es der Staat regeln. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bringe daher den Abänderungsantrag ein, § 44 im ABGB zu ändern:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Kier und PartnerInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (1653 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1926 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Im Art. I lautet Ziffer 1:

1. § 44 lautet:

"§ 44. Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. Im Ehevertrag erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechts gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben und sich gegenseitigen Beistand zu leisten."

Die Ziffern 1 bis 4 erhalten die Bezeichnung 2 bis 5.

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Das bedeutet nichts anderes (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter), als daß die Verpflichtung – Frau Kollegin, gerade als Vorsitzende des Justizausschusses sollten Sie diese Unterschiede kennen – zur Fortpflanzung – die zwar freiwillig eingegangen wird, aber durch den Staat vorgegeben ist – aus dem Gesetz eliminiert wird. Ich halte es für überfällig, derartiges zu tun. (Abg. Dr. Fekter: Sie wollen die Kinder aus der Ehe schmeißen! Dafür sind wir nicht zu haben!)

Liebe Frau Kollegin! Wenn Sie glauben, daß Menschen nur dann Kinder in die Welt setzen, wenn der Staat sie dazu verpflichtet, dann zeigt das eindeutig Ihr Weltbild. (Beifall beim Liberalen Forum.) – Ich glaube, daß es eine Frage der persönlichen Lebensentscheidung ist, bei der der Staat nichts verloren hat.

Der zweite Punkt, der mir sehr wesentlich erscheint, weil er auch eine Kernfrage dieses Eherechts-Änderungsgesetzes ist, sind die Prinzipien bei den Scheidungsregelungen. Es hat eine lange Debatte darüber gegeben, und Ziel der Arbeitsgruppe war es eigentlich, das Verschuldensprinzip durch ein Zerrüttungsprinzip zu ersetzen. Das wäre ein richtiger Weg gewesen, der nicht nur schon lange in anderen europäischen Ländern beschritten wurde. Ich darf nur darauf hinweisen, daß Deutschland seit 20 Jahren das Zerrüttungsprinzip und nicht das Verschuldensprinzip zum Gegenstand hat. Ich darf nur daran erinnern, daß es – an jene Partei, die sich nach außen immer für Europa hin engagiert, gerichtet – noch aus dem Jahr 1989 eine Empfehlung des Europarates gibt, in der die Mitgliedsländer aufgefordert werden, die Scheidungsfolgen verschuldensunabhängig zu regeln.

Das sind für mich nur Zusatzargumente, denn unser Hauptargument ist unsere grundsätzliche Position: daß es nicht Sache des Staates sein kann, die moralische Richtigkeit privatester Verhältnisse zu beurteilen, daß es daher nicht Sache des Staates sein kann zu sagen, daß in einem privaten Verhältnis zwischen zwei Ehepartnern jemand mehr schuld oder jemand weniger schuld am Auseinanderbrechen dieser Beziehung hat. Es darf nach liberalem Verständnis nicht Sache des Staates sein, dies zu beurteilen!


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