Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 65

werden sollte mit der Zeugung von Kindern und mit dem Willen, diese zu zeugen und diese zu erziehen. Das bedeutet überhaupt keine Abwertung, sondern wir sind selbstverständlich der Meinung, daß der Familienbegriff aufrecht bleiben muß. Wir haben nur einen etwas weiter gefaßten Familienbegriff, als ihn etwa die ÖVP hat, denn ich bin nicht geneigt, anzunehmen, daß, wenn Ehen geschieden werden, die Kinder nur mit der Mutter oder nur mit dem Vater zusammenleben und also demnach wechselseitig Verantwortung übernommen wird, diese nicht als Familien zu bezeichnen sind. Zu sagen, wenn der Vater oder der Mann von der Familie weg ist, dann handelt es sich nur noch um Rumpffamilien, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Optimal ist es natürlich – das wird niemand bestreiten –, wenn Eltern und Kinder in einer Gemeinschaft leben, das freut alle. Aber wenn es nicht so ist, dann sollten wir auch den anderen Gemeinschaften, die frei gewählt sind und wo sich die Partner sagen, wir wollen füreinander Verantwortung übernehmen, dieselbe Achtung und dieselbe Anerkennung entgegenbringen, wie wir das auch bei der Ehe tun.

Und daher, meine Damen und Herren, komme ich zum dritten Punkt, einen Abänderungsantrag betreffend das Zeugnisverweigerungsrecht im § 321 ZPO. Frau Abgeordnete Schmidt hat diesbezüglich bereits einen Antrag eingebracht, und ich bitte insbesondere die Abgeordneten der Koalitionsparteien, genau zuzuhören, denn es ist ein Abänderungsantrag, der zweigeteilt ist: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Schmidt eingebracht hat, bezog sich ausschließlich auf verschiedengeschlechtliche Lebensgefährten. Der Abänderungsantrag, den ich nun einbringe, bezieht sich auf anders- oder gleichgeschlechtliche Lebensgefährten, und er lautet wie folgt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Kier und PartnerInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (1653 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichts (1926 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Im Art. IV lautet Z 2:

2. In § 321 Abs. 1 Ziffer 1 wird nach dem Wort "Ehegatten" ein Beistrich gesetzt und die Wortfolge "seinem anders- oder gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten," eingefügt.

Die Ziffer 2 der Regierungsvorlage erhält die Bezeichnung "Ziffer 3".

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Meine Damen und Herren! Wir haben uns deshalb die Mühe gemacht, zwei Abänderungsanträge einzubringen, weil wir bereits in der Strafprozeßordnung dazu übergegangen sind, auch dem Lebensgefährten/der Lebensgefährtin das Recht zu geben, sich einer Aussage zu enthalten, wenn es für seine Lebensgefährtin/für ihren Lebensgefährten schlecht wäre. Dazu haben wir uns verstanden, das war auch ein sinnvoller Schritt.

Wir haben das aber nicht für den Bereich des Zivilprozesses gemacht, aber auch hier, meine Damen und Herren, muß man wohl zugestehen, daß die Verhältnisse dieselben sind: Es herrscht ein besonderes Vertrauensverhältnis in den Lebensgemeinschaften, und es ist falsch, im Zivilprozeß vor Gericht zur Zeugnislegung zu verpflichten, wenn dadurch ein Lebensgefährte seiner Lebensgefährtin oder eine Lebensgefährtin ihrem Lebensgefährten schaden würde, Frau Abgeordnete Bauer. Das ist wichtig, und ich bitte Sie, die Anträge nicht reflexartig abzulehnen, sondern zu entscheiden, ob sie wenigstens dem Antrag der Frau Abgeordneten Schmidt zustimmen können, in dem es um die verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften geht, oder dem Antrag, den ich jetzt eingebracht habe, in dem es um verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geht. Wenn Sie beide Anträge ablehnen, dann sagen Sie


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