Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 108

Es geht nun darum, die Position Österreichs innerhalb der EU nicht weiterhin so widersprüchlich darzustellen, sondern die Karten auf den Tisch zu legen. Während die Neutralität scheibchenweise de facto beseitigt wird, wird der Bevölkerung gleichzeitig vorgegaukelt, man sei weiterhin neutral und könne gewissermaßen die Politik der 50er bis 70er Jahre unverändert fortführen. Das führt zu einem Befremden der europäischen befreundeten Staaten, für die Österreich im-mer weniger ein verläßlicher europäischer Partner ist. Zugleich aber wird gegenüber der österreichischen Bevölkerung der Eindruck erweckt, daß die Neutralität nicht nur die Identität Öster-reichs bestimme sondern auch der Sicherheit des Landes diene. Eine Diskussion über das Wesen und den Inhalt der Neutralität findet schon deshalb nicht statt, weil dabei jedenfalls die Dif-ferenz zwischen Rechtslage und Handlungsweise der Regierung zutage träte, anderseits man sich der mühsamen Aufgabe unterziehen müßte, die tatsächlichen Wirkungsweisen der außenpolitischen Instrumente wie Neutralität oder Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen.

Auch unter diesem Gesichtswinkel ist der Aufruf vom Bundeskanzler aber auch des Bundespräsidenten, die Sicherheitspolitik aus Wahlkämpfen herauszuhalten, höchst befremdlich. Vielmehr ist es nach Auffassung der Liberalen notwendig, endlich eine Debatte darüber zu führen, wo Österreich sicherheitspolitisch tatsächlich steht, welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung es gibt und für welchen Weg man sich tatsächlich entscheidet. Diese sicherheitspolitische Weichenstellung ist unter anderem auch für das österreichische Bundesheer und dessen Beschaffungswesen von existentieller Bedeutung. Für die Zukunft des Bundesheeres muß dringend ein umfassendes Planungskonzept erstellt werden. Daher ist es wichtig zu wissen, ob das Heer nach wie vor auf der Basis des völlig veralteten Landesverteidigungsplanes agieren soll, der auf der autonomen Verteidigung eines Einzelstaates aufbaut, oder ob es in die zukünftige euro-päische Sicherheitspolitik eingebettet werden soll.

Um die Debatte seriös zu führen, ist die Zustandserhebung nötig und dabei aufzuzeigen, welche Schritte zur Aushöhlung der Neutralität bereits gesetzt wurden.

Folgende Schritte zur Aushöhlung der Neutralität wurden gesetzt:

1991 wurden im Zuge des Golfkonfliktes, als der UN-Sicherheitsrat militärische Sanktionen gegen den Irak beschloß, Strafgesetzbuch und Kriegsmaterialiengesetz dahingehend geändert, daß bei einem Transit von Kriegsmaterial auf Basis eines Sicherheitsratsbeschlusses keine Neutralitätswidrigkeit vorliege,

1995 brachte Österreich mit dem Beitritt zur Europäischen Union den sicherheitspolitisch gravierendsten Schritt weg von der Neutralität, denn in einer Gemeinsamen Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) verpflichteten sich die neuen Mitgliedstaaten zu folgenden Punkten: Man kommt überein, daß

‚die neuen Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts bereit und fähig sein werden, sich in vollem Umfang und aktiv an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, so wie sie im Vertrag über die Europäische Union definiert ist, zu beteiligen;

die neuen Mitgliedstaaten mit dem Beitritt alle Ziele des Vertrags ... vollständig und vorbehaltlos übernehmen werden

die neuen Mitgliedstaaten bereit und fähig sein werden, die zum Zeitpunkt ihres Beitritts für die verschiedenen Bereiche gültige Politik der Union zu unterstützen.‘

Folgerichtig wurde im selben Jahr auch das Bundes-Verfassungsgesetz durch einen neuen Art. 23f geändert:

(Abs. 1): ‚Österreich wirkt an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union...mit. Dies schließt die Mitwirkung .. an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden.‘


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite