Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 109

Die klarste Ansage zur Verabschiedung von der Neutralität fand durch den von Österreich mitgetragenen EU-Vertrag über die Europäische Union von Amsterdam 1997, der am 1. Mai 1999 in Kraft getreten ist, statt. Er bringt ein Bekenntnis zur künftigen europäischen Verteidigung. Teile des neuen Artikel 17 sind nicht mit dem österreichischen Neutralitätsgesetz vereinbar:

(Abs. 1) ,Die Union fördert engere institutionelle Beziehungen zur WEU im Hinblick und auf die Möglichkeit einer Integration der WEU in die Union, falls der Europäische Rat dies beschließt:

(Abs. 2) ‚Die Fragen, auf die in diesem Artikel Bezug genommen wird, schließen humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen ein.‘

Durch die so erfolgte Integration der ‚Petersberger Aufgaben‘ der WEU kann die EU im Sinne dieses Artikel theoretisch auch ohne Beschluß des UN-Sicherheitsrates tätig werden. Unter unveränderter Aufrechterhaltung der ‚immerwährenden‘ Neutralität und des Neutralitätsgesetzes kann Österreich an Kampfmaßnahmen im Rahmen der GASP nicht teilnehmen.

Folgerichtig wurde daher der Art. 23f B-VG neuerlich dahingehend geändert, daß Österreich an solchen Kampfeinsätzen teilnehmen könnte. In den Erläuterungen zu dem diesbezüglichen Antrag 791/A der Abgeordneten Kostelka und Khol, beschlossen am 18.6.1998, heißt es sogar:

‚Mit dieser Änderung ist klargestellt, daß Österreich nicht nur an Maßnahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik aufgrund des Maastrichter Vertrages ...teilnehmen kann, sondern vollumfänglich auch an den durch den Vertrag von Amsterdam...neu eingeführten sog. Petersberg-Aufgaben. In Entsprechung des Vertrages von Amsterdam gilt dies auch für den Fall, daß eine solche Maßnahme nicht in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ergriffen wird.‘

1997 brachte auch das Scheitern eines der wichtigsten Vorhaben der Bundesregierung für diese Legislaturperiode, nämlich die Erstellung eines gemeinsamen ‚Optionenberichtes‘ über die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik. Hauptgrund: die möglichen Konsequenzen für das Neutralitätsgesetz.

Anfang 1999 einigt sich die Bundesregierung darauf (so Außenminister Schüssel im Februar vor dem Nationalrat), die Integration der WEU in die EU in der Europäischen Union aktiv zu betreiben und somit die EU auch zu einer Verteidigungsunion einschließlich Beistandspflicht zu machen. Kein einziger Völkerrechtler vertritt die These, daß in diesem Fall die ‚immerwährende‘ Neutralität aufrechtzuerhalten wäre. Dies ist auch logischer ein Schritt in Richtung europäischer Solidarität, der im übrigen durch die geltende Regierungserklärung ins Auge gefaßt wurde. Die Bundesregierung beabsichtigte

‚alle weiterführenden sicherheitspolitischen Optionen, einschließlich der Frage einer Vollmitgliedschaft Österreichs in der WEU einer umfassenden Überprüfung (zu) unterziehen und dem Parlament hierüber ... noch vor der Übernahme des EU-Vorsitzes durch Österreich, spätestens jedoch im Laufe des ersten Quartals 1998 zu berichten.‘

Der Artikel 5 der WEU (Beistandsverpflichtung) ist darin mit keinem Wort erwähnt, was bedeutet, daß seine Übernahme nicht von vornherein ausgeschlossen werden sollte.

1999 kann sich Österreich nicht solidarisch mit seinen EU-Partnern zeigen, indem es Überflugs-genehmigungen für den NATO-Kosovo-Einsatz verweigert, obwohl Bundeskanzler und Außenminister den Militärschlag anläßlich des Europäischen Rates in Berlin Ende März akzeptieren und im April die NATO-Luftangriffe in einer Erklärung der EU-Außenminister weiter als ‚notwendig und geboten‘ bezeichnen, da die Genehmigung dem Neutralitätsgesetz widerspräche.

Durch die Beschlüsse des Europäischen Rates in Köln vom 4. Juni 1999 wird mit Zustimmung des Bundeskanzlers die europäische Verteidigungspolitik weiterentwickelt. In der Erklärung ‚zur


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