Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 110

Stärkung der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik‘ wird in den Leitprinzipien neben einer Bekräftigung dieses Grundprinzips festgestellt, daß der Rat der Europäischen Union ‚in die Lage versetzt wird, Beschlüsse über das gesamte Spektrum der ihm zur Verfügung stehenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Instrumente zu fassen, wenn es darum geht, auf Krisensituationen zu reagieren.‘ Gefordert wird, daß die Mitgliedstaaten ‚Streitkräfte weiterentwickeln, die auch für Krisenbewältigungsoperationen geeignet sind‘. Zur effektiven Durchführung von EU- geführten Operationen soll die EU von Fall zu Fall zu entscheiden haben, ob diese ‚unter Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO‘ oder ‚ohne Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO‘ durchgeführt werden. Dazu sei es schließlich notwendig, ‚daß entweder die nationalen Kommandostrukturen ... genutzt werden oder daß auf die bestehenden Kommandostrukturen innerhalb der multinationalen Streitkräfte zurückgegriffen wird.‘ All dies deutet auf ein endgültiges Ende einer Rolle für neutrale Staaten hin, vor allem aber auch auf eine Emanzipation der EU vom atlantischen Bündnis, ohne aber die Verbindungen zu diesem völlig zu durchtrennen.

Damit ist klargestellt, daß ein gemeinsames Handeln aller Mitglieder vorgesehen ist, und zwar ohne Festschreibung eines Sonderstatus für die Neutralen. Vetorecht und ‚konstruktive Enthaltung‘ gilt daher für alle 15 Staaten gleichermaßen und ist nicht als Sonderrecht für Neutrale konzipiert.

Dieser kurze Abriß zeigt, daß zwischen der österreichischen Neutralität und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ein fundamentaler Widerspruch besteht.

Doch die Diskussion um Österreichs Rolle im Kosovo-Konflikt und die unehrliche Debatte rund um die Neutralität während des EU-Wahlkampfes haben das Desaster der österreichischen Sicherheitspolitik prolongiert. Bis heute liegt keine entscheidungsreife Positionierung der Bundesregierung über eine zu verfolgende Option vor, obwohl man sich in der Regierungserklärung 1996 dazu verpflichtet hatte. Wie oben erwähnt hat Bundeskanzler Viktor Klima nur den Vorschlag des Diskussionsverbotes.

Die österreichische Außenpolitik ist allerdings – das zeigte der Kosovo-Konflikt – weder neutral noch solidarisch. Auf der einen Seite wird in einer Aussprache des Europäischen Rates vom 14.4.1999‚ der Einsatz schärfster Maßnahmen, einschließlich militärischer Aktionen‘ für notwendig und gerechtfertigt erachtet, weil man das Morden und die Deportationen im Kosovo nicht hinnehmen könne; militärische Überflüge können hingegen wegen der Verfassungslage nicht gestattet werden. Auf der anderen Seite betreibt Österreich keineswegs die ‚aktive Neutralitätspolitik‘, von der Klima spricht. Denn während sogar die NATO-Länder Italien und Ungarn sowie das bündnisfreie Schweden ihre Botschaften in Belgrad geöffnet hielten, zog Österreich sein Botschaftspersonal ab, obwohl ein Offenhalten mit freiwilligen MitarbeiterInnen dringend geboten schien, um beispielsweise Serben über die Erteilung eines Visums einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen. Es ist daher bezeichnend, daß der Präsident des bündnisfreien Finnland, Martti Ahtisaari, beauftragt wurde, im Namen der EU eine Vereinbarung mit Serbien über den Einsatz einer Friedenstruppe unter UN-Mandat im Kosovo auszuverhandeln. Österreich blieb in der Rolle des Zuschauers.

Notwendig ist für die Zukunft daher, die GASP und ein Vorantreiben einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität nicht nur in den Verträgen zu verankern, sondern auch wirklich zu leben. Die Voraussetzungen dafür, auch was die künftige Sicherheits- und Verteidigungsstruktur der EU betrifft, wurden schon großteils (einschließlich der unbedingt notwendigen Integration der WEU in die Union) im Vertrag von Amsterdam hergestellt und nun beim Europäischen Rat in Köln fortgeführt. Doch nur ein Land, das weiß, in welche Richtung der sicherheitspolitische Zug fahren soll, kann sich aktiv an einer Weiterentwicklung Europas für mehr Frieden und Stabilität beteiligen. Allererste Voraussetzung ist jedoch, daß Österreich die völkerrechtliche ‚immerwährende‘ Neutralität geklärt wird, ihr Widerspruch zu jeglicher Art von militärischer Kampfmaßnahmen außer Streit gestellt und endlich eine innerösterreichische Bereinigung mit dem Ziel der vollen Teilnahme Österreichs an der GASP im Sinne des Amsterdamer Vertrages herbeigeführt wird.


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