Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 119

Wenn Sie zum Beispiel die so oft zitierten Erläuterungen zu unserem Artikel 23f B-VG ansehen, dann werden Sie dort sehr klar und eindeutig sehen, daß es auch möglich ist, ohne Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu agieren. Klammer auf: Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Klammer zu. (Abg. Wabl: Ich glaube, Sie verwechseln NATO-Statut und UN-Charta! War der Einsatz in Jugoslawien ein UNO-Einsatz?) Deswegen sage ich schon sehr klar und deutlich, daß Handlungen, die im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehen, aus meiner Sicht immer, seit dem Herbst des Jahres 1955, mit der österreichischen Neutralität vereinbar sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wabl: Das war doch nicht im Einklang mit der UNO-Charta! – Abg. Scheibner: Das sagen Sie!)

Das sage nicht nur ich! Seither gab es viele Bundeskanzler, die der Meinung waren, daß Maßnahmen, die im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehen, mit dem Neutralitätsgesetz vereinbar sind. Das ist nicht meine Erfindung, die ich vor drei Monaten oder vor zwei Jahren gemacht habe, das ist seit dem Herbst 1955 so, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist in dieser Form auch völkerrechtlich von den anderen Staaten anerkannt worden. (Abg. Dr. Krüger: Es geht um die Frage eines gerechten Krieges!) Selbstverständlich. (Abg. Dr. Krüger: Es geht um die Frage eines gerechten Krieges!) Denn bereits damals, beim Beitritt zu den Vereinten Nationen, haben wir das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität erlassen. Das ist wirklich eine inhaltlich sachliche Argumentation, und ich bitte, daß Sie das auch überlegen. (Abg. Scheibner: Ich werde Ihnen dann die richtige Erklärung dafür geben!)

Ich glaube, daß es in der Diskussion natürlich auch Unschärfen oder Mißverständnisse gibt, denn die österreichische Neutralität war für uns immer ein Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes und nicht Selbstzweck, ein Instrument der Außenpolitik, die sich seit den fünfziger Jahren natürlich sehr stark gewandelt hat, aber unbestritten ist: Der Kern dieses Neutralitätsverständnisses hat sich nicht verändert in diesen Jahrzehnten.

Ich glaube, es geht auch nicht darum, eine Neutralitätspolitik mit den Methoden der fünfziger Jahre fortzuführen. Das ist nicht möglich, dazu hat sich das weltpolitische Umfeld zu stark verändert. Die österreichische Neutralität war auch nie ein statisches Konzept, aber sie hat gerade gezeigt, daß sie in der Lage ist, in bestmöglicher Form auf die Veränderungen und Herausforderungen zu reagieren.

Frau Dr. Schmidt! Die Kernelemente, wie ich sie verstehe und sehe und wie sie im Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität festgelegt sind, die Kernelemente, die Sie selbst aufgezählt haben, also keine Teilnahme an einem Militärpakt, keine fremden Truppen auf unserem Gebiet und keine Teilnahme an einem Krieg – ich sage jetzt dazu: Klammer auf: wenn er nicht im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen steht; das gilt seit 1955 –, die haben sich, das können wir, glaube ich, klar und deutlich sagen, nicht verändert. (Abg. Dr. Schmidt: Sie wissen genau, was gemeint war! – Abg. Scheibner: Wo steht das?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben auch nach den weltpolitischen Veränderungen im Jahr 1989 die außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten, die sich für Österreich seit dem Zerfall des Warschauer Paktes und des COMECON vergrößert haben, zusätzlich genützt, und ein Schwerpunkt war zu Recht – und ich bekenne mich dazu – der Beitritt zur Europäischen Union. Wir haben daher im breiten Konsens mit allen Kräften diesen Beitritt vorbereitet, und wir, die beiden Regierungsparteien, Sozialdemokraten und Christdemokraten, haben damals sehr großen Wert darauf gelegt, daß Österreich als neutrales Mitglied der Europäischen Union beitreten kann und es auch bleiben kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Dr. Schmidt! Ich darf, weil ich es für ein Kernelement halte, noch einmal wiederholen, daß bereits zu diesem Zeitpunkt – damals war es nur Irland, in der Zwischenzeit sind Schweden, Finnland und Österreich dazugekommen – im Maastrichter Vertrag festgehalten war, daß auf die besondere Verfassungslage und Sicherheitspolitik der einzelnen Staaten Rücksicht genommen wird.

Die Darstellung zum Artikel 23 B-VG habe ich bereits in meiner Einleitung gebracht, und aus meiner Sicht ist es so, daß der Vertrag von Amsterdam, der am 1. Mai dieses Jahres in Kraft


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