Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 121

Es ist nun so, daß die gesamte Staatspraxis unseres Landes, sehr geehrte Frau Dr. Schmidt, bereits – ich wiederhole es – im Herbst 1955 mit dem Beitritt zu den Vereinten Nationen von allen Völkern als nicht im Widerspruch zur österreichischen Neutralität stehend angesehen wurde.

Sie wollen doch nicht behaupten, daß der Beitritt zu den Vereinten Nationen im Widerspruch zur österreichischen Neutralität steht! – Das tut er nicht! (Abg. Dr. Schmidt: Dies ist nicht die Antwort!) Daher erlauben Sie mir, daß ich sehr klar und deutlich feststelle, daß die internationale Staatengemeinschaft unsere Entwicklung vom Beitritt zu den Vereinten Nationen bis hin zum Beitritt zur Europäischen Union als im Einklang mit der Neutralität unseres Landes gesehen hat und sieht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Kier: Das ist ein Irrtum! – Abg. Smolle: Das ist eine Behauptung!)

Zu Frage 3:

Wie ich bereits dargelegt habe, ist Österreich im Jahre 1995 der EU als aktives und solidari-sches, aber neutrales Land beigetreten. Der EU-Vertrag – auch in der Fassung des Vertrages von Amsterdam – bietet natürlich die notwendigen rechtlichen Grundlagen dazu.

Die von Ihnen in der Anfrage zitierten Bestimmungen des Artikels J.4 Abs. 1 des EU-Vertrages in der Fassung des Vertrages von Maastricht lauten wörtlich – wörtlich! –, daß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen, wozu auf längere Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, umfaßt.

Gleichzeitig wird bereits im Maastricht-Vertrag, aber auch im Amsterdam-Vertrag klargelegt, daß auf den spezifischen Charakter der sicherheitspolitischen Optionen bestimmter Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen ist. Das kann also kein Widerspruch sein, und es ist nicht daraus abzuleiten, daß Staaten, die bündnisfrei sind, oder Staaten, die neutral sind, plötzlich – ich weiß nicht – ihre Verfassung ändern müssen.

Zu den Fragen 4 bis 10:

Ich habe bereits sehr ausführlich dargelegt, daß Artikel 23f die verfassungsrechtliche Grundlage dafür ist, daß Österreich als aktives, solidarisches und neutrales Mitglied an einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union teilnehmen kann. (Abg. Dr. Maitz: Nur nicht bei der Durchsetzung!)

Ich darf Ihnen zur Wortwahl der Fragestellung noch erläutern, daß Initiativanträge grundsätzlich nichts, wie Sie geschrieben haben, "ermöglichen" können, aber was die Ausübung der der Europäischen Union im Bereich der sogenannten Petersberger Aufgaben übertragenen Befugnisse betrifft, so sind – und das wiederhole ich noch einmal, weil es wirklich ein zentraler Punkt ist – alle Beschlüsse der GASP an die Charta der Vereinten Nationen gebunden. Nur solche Beschlüsse der GASP sind im Rahmen der Europäischen Union möglich; das ist ein ganz wesentlicher und entscheidender Punkt. (Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Gegen Beschlüsse der Europäischen Union, die sich im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen bewegen – also Mandat des Sicherheitsrates oder Artikel 51, Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung –, wird Österreich keine Bedenken haben. (Abg. Scheibner: Also doch eine gemeinsame Verteidigung!) Ich sage das sehr deutlich, weil das unser Verständnis der Neutralität bisher, seit dem Jahre 1955, war und ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Eine gemeinsame Verteidigung, aber neutral! Das ist ja wunderbar!)

Sollte sich Österreich an Maßnahmen (Abg. Dr. Schmidt: Was sagen Sie zu Frage 9?), die sich nicht auf einen Beschluß des Sicherheitsrates oder Artikel 51 beziehen, nicht beteiligen, dann kann sich Österreich (Abg. Dr. Schmidt: Werden wir jetzt ein Veto einlegen oder nicht? Was ist mit Frage 9?), wie Sie wissen, auch konstruktiv enthalten, und die Maßnahmen, die daraus resultieren, werden natürlich im Rahmen der Durchführung dieses Beschlusses mit den einzelnen


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