Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 257

Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgedeckt, daß das Gesetz monatelang falsch vollzogen wurde. Was hat daraufhin die Regierung, was haben die Regierungsparteien gemacht? – Sie haben das mit einer Novelle rückwirkend repariert, indem sie diesen Frauen den gesetzlichen Anspruch rückwirkend wieder genommen haben!

Bei dieser Gelegenheit ist zutage getreten, daß diese Frauen dadurch auch keine Krankenversicherungsansprüche hatten. Wir hatten das seinerzeit thematisiert, und in der Folge wurde eine Ausschußbemerkung gemacht. Das Ergebnis dieser Ausschußbemerkung ist der Antrag, den wir heute zu beschließen haben.

Darin wird jetzt eine skurrile Lösung getroffen, nämlich die Lösung, daß die Frauen, die an und für sich dem Grunde nach Anspruch auf Notstandshilfe haben, diese Notstandshilfe nicht ausbezahlt bekommen, weil sie einen Unterhaltsanspruch haben. Zum besseren Verständnis muß ich hinzufügen, daß sich dies alles unterhalb der Armutsgrenze abspielt.

Diese Frauen bleiben nicht aufgrund der Tatsache, daß sie einen Anspruch auf Notstandshilfe haben, der nur wegen des Unterhaltsanspruchs nicht ausgezahlt wird, trotzdem krankenversichert, nein, man räumt ihnen die Möglichkeit ein, sich freiwillig selbst zu versichern. Dabei hat man nämlich bemerkt, daß dies wegen der Beträge, die dann zu zahlen sind, unbillig werden könnte, daher hat man ein Sonderrecht geschaffen, daß diese Selbstversicherungsbeiträge niedrig sein sollen. Dazu ist es allerdings notwendig, daß zur Festsetzung dieses Betrages jeweils die tatsächlichen Verhältnisse geprüft werden. (Abg. Dr. Feurstein: Einmal im Jahr! Herr Dr. Kier, wir haben es geklärt: einmal im Jahr!)

Wer ein bißchen im Leben steht, weiß, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse von Monat zu Monat verändern können. Bei dem Personenkreis, um den es sich hier dreht, müssen wir leider vielfach in der Wirklichkeit des Lebens beobachten, daß diese Menschen zwar Unterhaltsansprüche haben, die aber nicht regelmäßig bezahlt werden, sodaß ihre wirkliche wirtschaftliche Lage extrem schwankend, sehr unsicher und außerdem so und so prekär ist, auch wenn der Unterhalt bezahlt wird. Im Ausschuß haben wir das thematisiert, aber dies hat wenig Verständnis gefunden. Es wurde uns gesagt, daß diese Frauen nicht mehr als 204 S pro Monat zahlen müssen.

Ich halte fest, daß man offenbar nur deswegen, weil von der Opposition andere Vorschläge gekommen sind, den Weg der freiwilligen Selbstversicherung gewählt hat, der immerhin dazu führt, daß jetzt in kurzen Abständen regelmäßig Beiträge evaluiert, neu festgesetzt, erhöht oder gesenkt werden müssen, sodaß im schlimmsten Fall ein monatlicher Spießrutenlauf beginnt.

Ich wollte das von diesem Pult aus gesagt haben. Wir werden dieser Vorgangsweise nicht zustimmen, obwohl wir froh sind, daß jetzt wenigstens diese Möglichkeit besteht – ich möchte da nicht mißverstanden werden –, aber es sollte eben nicht nur im Ausschuß, im stillen Kämmerlein diskutiert worden sein, sondern hier auch das Licht der parlamentarischen Protokolle erblicken, daß das, was Sie hier machen, von einem zynischen Bürokratismus ist und von einer sozialen Einstellung spricht, die ihresgleichen sucht. Gleichzeitig wird mit der Selbstbehübschung argumentiert, daß sich diese Frauen jetzt selbst versichern "dürfen", obwohl sie – wenn Sie das Gesetz nicht rückwirkend geändert hätten – ihren Notstandshilfeanspruch behalten hätten und daher so und so versichert gewesen wären.

Sie haben also Menschen einen Anspruch genommen – und jetzt belobigen Sie sich selbst, weil Sie diese Menschen zur Kasse bitten, damit sie wenigstens krankenversichert sind! Ich finde, das ist wirklich – ich möchte mir keinen Ordnungsruf einhandeln, aber fast wäre da ein Kraftausdruck angebracht – schleißig; dieser Ausdruck geht vielleicht gerade noch. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

0.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 6 Minuten ein. – Bitte.


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