Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 175. Sitzung / 145

ist: Nichts! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was sagen Sie jetzt zur Familienpolitik? – Abg. Dr. Khol: Das war eine gute Rede!)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

16.15

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist ja nicht so, daß die Regierungsparteien irgendeinen Grund hätten, sich vor dem Hintergrund einer oppositionellen Dringlichen Anfrage über ihre eigene Familienpolitik zu freuen oder sie zu loben. Das ist sicherlich nicht der Fall.

Ich kann diese Debatte keineswegs für einen geeigneten Anlaß halten, die Familienpolitik der österreichischen Bundesregierung als eine positive Familienpolitik zu bezeichnen. (Abg. Dr. Mertel: Das können Sie nicht!) Es gibt ein Bemühen, aber Bemühen ist noch nicht Erfolg. Es gibt offenbar eine Kompromißnotwendigkeit, die dann in der Mitte etwas erzeugt, was weder das eine noch das andere ist. (Abg. Dr. Mertel: Das stimmt! Da haben Sie uns durchschaut!) Es fehlt also die familienpolitische Linie. (Abg. Dr. Mertel: Die Lehrer müssen die Schüler kennen!)

Außerdem wird in diesem Land und von dieser Bundesregierung immer noch Familienpolitik mit einem Teil davon verwechselt, der sich um die Kindertransferzahlungen herum bewegt und so weiter, der aber das eigentliche Feld – nämlich wie Familienarbeit, Erwerbsarbeit et cetera kombinierbar sind – eigentlich völlig aus dem Visier verliert. Es wird nur ständig darüber diskutiert, was wann an wen und wie unter dem Titel "Kinder" bezahlt wird. Daß aber das Umfeld stimmen muß, damit etwas – was auch immer – geschieht und auch sinnvoll wirken kann, geht dabei völlig unter.

Das schwere Defizit an Kinderbetreuungseinrichtungen – um nur einen Punkt herauszugreifen – ist selbstverständlich etwas, was Familienarbeit mit Erwerbsarbeit nur sehr schwer kombinierbar macht. Das wird in der Diskussion regelmäßig und fast ausschließlich als Frauenfrage dargestellt – obwohl ich zugebe, daß die Frauen im jetzigen Befund die Hauptbetroffenen sind und schwer unter der gegenwärtigen Situation leisten; es wird aber so getan, als ob sie sich das daher auch selbst lösen sollen, und dafür gibt man ihnen eben ein wenig Geld –, und Elternschaft kommt in der Debatte überhaupt nicht vor.

Das Wort "Elternschaft" kommt nicht vor, die Väter werden nicht erwähnt. Es wird immer nur von den Müttern gesprochen. Die Mütter sind – das sage ich noch einmal, damit ich nicht mißverstanden werden kann – jetzt real und faktisch im Regelfall diejenigen, die die Zeche zahlen, die betroffen sind, die an der Arbeitswelt gehindert sind, die sich nicht entfalten können, denen von nichtpartnerschaftlichen Partnern alles aufgebürdet wird, und so weiter und so fort.

Aber das heißt ja nicht, daß wir genau das nachsteuern sollen. Wir sollten hier auch Gegengewichte legen, die sich darauf konzentrieren, daß Elternschaft lebbar wird und daß Karenzzeiten wirklich geteilt werden können, weil es nicht im wirtschaftlichen Desaster mündet, wenn man sich das aufteilt. Das alles sind einerseits familienpolitische Fragen, andererseits aber auch frauenpolitische und im Kern sozialpolitische Fragen, weil wir neben den Problemen, die heute schon diskutiert worden sind, außerdem das Armutsproblem haben.

Schauen Sie sich einmal die Armutsstatistik an! Wer sind die hauptsächlich Betroffenen? Welche Bevölkerungsgruppen leben unter der Armutsgrenze? – Kinder und Alleinerzieherinnen leben unter der Armutsgrenze. Und das bezeichnen Sie als Familienpolitik?

Sie geben noch nicht einmal die sozialpolitischen Antworten für die Vorfragen und reden davon, daß Sie Familienpolitik machen! Das ist meiner Ansicht nach eine Verwechslung von zwei Baustellen. Sie müssen zunächst einmal und in erster Linie – oder gleichzeitig, wenn Sie es finanzieren können, ist mir alles recht – sowohl die sozialpolitische Seite als auch die familienpolitische Seite und die emanzipationspolitische Seite im Auge haben, dürfen aber nicht immer das eine mit dem anderen verwechseln.


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