Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 178. Sitzung / 19

men wird‘. Tatsächlich hat nämlich die Übertragung neuer Aufgabengebiete aus dem Bereich des KonsumentInnenschutzes die Kapazität der Frauenministerin für frauenpolitische Anliegen drastisch reduziert, was die Frauen und insbesondere organisierte Frauengruppen deutlich zu spüren bekommen haben: Die Frauenministerin hat für Frauenanliegen selten Zeit.

Die Bestandsaufnahme von Sonja Ablinger, die SPÖ sei in der Frauenpolitik ‚geradezu reaktionär‘ (‚Profil‘ 2. Dezember 1996), dürfte heute nicht viel anders ausfallen. Die erste Rede des neuen SP-Bundesparteitagsvorsitzenden Viktor Klima am Parteitag im April 1997 enthielt die bemerkenswerte frauenpolitische Aussage: ‚Frauen haben erstmals eine gewisse Kontrolle über ihre Sexualität gewonnen‘. Inzwischen läßt sich der Bundeskanzler zwar nicht mehr zu solchen Äußerungen hinreißen, außer wahlkampforientierten Lippenbekenntnissen aber ist von einem überzeugten Eintreten für Frauenanliegen wenig zu spüren.

Seit die Liberalen im vergangenen Sommer die Neuregelung des Karenzgeldes zum Thema gemacht haben, übertreffen sich die Regierungsfraktionen mit Wahlkampfslogans, die frauenpolitisches Engagement vortäuschen sollen. Die dazu geführten Diskussionen lassen nicht nur über weite Strecken jeden emanzipatorischen Ansatz vermissen, sondern stellen sich auch als vorwahlbedingtes Ablenkungsmanöver heraus, das über die Politikdefizite der vergangenen Jahre hinwegtäuschen soll. Übrig bleibt ein Gefecht mit Ziffern und die Reduktion der Problemstellung auf Zahlenspielereien.

Die Regierung hat sich in den vergangenen Jahren mit Belastungen auf Kosten der Frauen 17 Milliarden erspart: Kürzung der Kindergartenmilliarde, Verkürzung der Karenzzeit, finanzielle Kürzungen für Frauenprojekte und frauenspezifische Beratungsstellen. Die den Frauen entzogenen Gelder werden ihnen nun als Wahlzuckerln wieder angeboten. Abgesehen von diesem Etikettenschwindel gilt es aber auch aufzudecken, daß die angebotene vorübergehende finanzielle Zuwendung an junge Mütter ein subtiles Instrument ist, zu altem Rollenverhalten zu verführen, vom Weg in die Unabhängigkeit abzulenken und damit auf Kosten der Frau einen immer angespannteren Arbeitsmarkt für Männer retten zu können.

Die Situation der Frau ist trotz 50 Jahren SozialdemokratInnen in der Regierung, nach 28 Jahren eines sozialdemokratisch geführten Frauenressorts, nach 50 Jahren eines sozialdemokratisch geführten Sozialministeriums, nach 54 Jahren sozialpartnerschaftlicher Verhandlungen mit einer sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaft die einer diskriminierten Minderheit, obwohl ihr Bevölkerungsanteil 52 Prozent beträgt. Darüber hinaus haben das Wiedererstarken eines konservativen Rollendenkens und die Angespanntheit des Arbeitsmarktes das Klima für Frauen im Vergleich zu einer kurzzeitigen Aufbruchstimmung der Vergangenheit wieder verschlechtert. Auch die frühere Frauenministerin Johanna Dohnal hat kürzlich anläßlich der Aktion ‚Schlaflose Nacht vor dem Bundeskanzleramt‘ diese Einschätzung bestätigt, die Versprechungen des Bundeskanzlers als solche schärfstens kritisiert und den fehlenden Widerstand der jetzigen Frauen-ministerin beklagt.

Dieser wäre aber bitter nötig, denn der Handlungsbedarf ist evident:

Frauen, die nach der Karenz wieder in den Beruf einsteigen wollen, sind die größte Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt. Inzwischen schafft nur jede fünfte Frau den Wiedereinstieg.

Insgesamt sind Frauen von der aktuellen Rekordarbeitslosigkeit besonders stark betroffen. Im Jahresschnitt 1998 stieg die Arbeitslosenquote bei den Frauen auf 7,5 Prozent (1997: 7,4 Prozent, 1996: 7,3 Prozent), jene der Männer blieb mit 6,9 Prozent seit 1996 konstant. Seit sechs Jahren driften die Arbeitslosigkeitskurven von Männern und Frauen auseinander, zuungunsten der Frauen.

Die Ursachen sind bekannt: Fehlende oder zu geringe Qualifikation (jede zweite als arbeitslos gemeldete Frau hat nur einen Pflichtschulabschluß) und Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie infolge fehlender oder nicht bedarfsorientierter Kinderbetreuungseinrichtungen sind die Hauptfaktoren. Fast jede zweite Frau ist aufgrund fehlender Kinderbetreuungsplätze nicht vermittelbar, während für Männer die Kinderbetreuungspflicht offenbar keine Relevanz hat.


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