Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 178. Sitzung / 32

ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich nichts von einer bundesgesetzlichen Umsetzung eines Mindesteinkommens von 15 000 S halte. Ich finde, daß in Österreich gesetzliche Mindestlöhne nicht zweckmäßig sind. Das ist eine Angelegenheit der Kollektivvertragspartner. Sie haben gesagt, ich habe mich verpflichtet, Punkt für Punkt des Volksbegehrens umzusetzen. (Abg. Dr. Schmidt: Sie haben es gesagt, ich kann nichts dafür!) – Nein, Sie haben das in einer Zeitung gelesen; das ist ein Unterschied.

Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich ein gesetzliches Mindesteinkommen von 15 000 S unter den österreichischen Bedingungen nicht für gut halte. Das ist Angelegenheit der Kollektivvertragspartner, und ich habe in der Aussprache mit den Repräsentantinnen des Frauen-Volksbegehrens Frau Sozialministerin Hostasch ersucht, mit den Kollektivvertragspartnern Gespräche zu führen, um die Kollektivverträge in bezug auf Diskriminierungen zu entrümpeln, um auch in diese Richtung Schritte zu setzen. Daß ich etwas in Richtung eines Gesetzes tue, habe ich nie versprochen.

Daher bitte ich Sie, Frau Dr. Schmidt, zu verstehen – ich möchte das einmal sehr klar und deutlich sagen –, daß wir bei diesem Frauen-Volksbegehren die Ziele schrittweise umzusetzen haben, soweit sie wichtig sind, und ich habe mich dazu für den Großteil der Punkte verpflichtet.

Aber auch dazu ein offenes Wort: Sie sind eine erfahrene Politikerin und kennen zum Beispiel die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Da gibt es zum Beispiel Punkte, bei denen die Bundesregierung viel Geld in die Hand nimmt, obwohl die Kompetenzen sehr klar bei anderen Gebietskörperschaften liegen, nur weil wir da einen gemeinsamen Erfolg erreichen wollen.

Ich darf Ihnen daher sagen – und das wissen Sie, wie ich glaube, auch selbst –, daß die Ziele, wie sie im Frauen-Volksbegehren verankert sind, nicht in zwei Jahren erreichbar sind. Aber ich denke, Sie können nicht behaupten, daß in irgendeinem der Punkte ein Schritt in die falsche Richtung gesetzt wurde. Es wurden Schritte in die richtige Richtung gesetzt, und wir werden nicht ruhen und diese Schritte auch weiterhin setzen, um die Umsetzung der berechtigten Forderungen zu erfüllen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Frage 2, die Verfassungsbestimmung betreffend:

Es hat darüber hier im Nationalrat wirklich schon stundenlange Diskussionen gegeben, und ich kenne Ihre Behauptung, daß die Formulierung dieser Verfassungsbestimmung nichts bringe. – Frau Dr. Schmidt, glauben Sie mir, ich bin anderer Meinung. Erlauben Sie mir das. Ich bin überzeugt davon, daß mit der vom Gesetzgeber beschlossenen Fassung doch wesentliche Fortschritte in der Frage der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht werden konnten. (Abg. Dr. Schmidt: Die Frage ist anders gestellt!)

Ich möchte keinen Rechtsexkurs führen, aber Sie wissen, daß Staatszielbestimmungen ja Grundsätze und Richtlinien des staatlichen Handelns sind, in all seinen Formen.

Sie wenden sich mit der rechtlichen Verbindlichkeit als Staatszielbestimmung ja unmittelbar an alle Gebietskörperschaften und verpflichten diese, in Richtung der Verwirklichung der angegebenen Ziele zu gehen. Sie steuern damit auch die zukünftigen staatlichen Aktivitäten, treiben Entwicklungen weiter. (Abg. Dr. Schmidt: Die Frage war anders gestellt!) Daher, sehr geehrte Frau Dr. Schmidt, glaube ich, daß diese Regelung, wie wir sie geschaffen haben, als Staatszielbestimmung sehr wohl ein klarer politischer Gestaltungs- und Handlungsauftrag ist und auch Handlungsdruck erzeugt.

Wie Sie wissen, Frau Dr. Schmidt, denn Sie sind wirklich eine Verfassungsexpertin, hat der Verfassungsgerichtshof klar und deutlich festgehalten, daß Staatszielbestimmungen als objektiver Maßstab der Gesetzgebung und der Vollziehung anzuwenden sind. Wir haben immer klargestellt, daß aufgrund der tatsächlich noch immer bestehenden Schlechterstellung von Frauen deren Förderung auch mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist.


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