Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 12. Sitzung / Seite 141

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Ich erinnere daran, dass die ... (Abg. Öllinger: Haben Sie gesagt: "Genozid an den Sudetendeutschen"?)  – Ja freilich! Wie würden Sie das nennen, wenn fast 300 000 Menschen ums Leben kommen, meist Kinder, Säuglinge, alte Frauen, alte Männer? (Abg. Dr. Lichtenberger: Neue Geschichtsauslegung!) Wie würden Sie das qualifizieren? (Abg. Dr. Lichtenberger: Ganz neue Geschichtsinterpretation!) Würden Sie sagen, das ist gerecht? Ich sage an dieser Stelle nur eines: Es war auch dies ein Unrecht! Und Unrecht verjährt niemals – weder das Unrecht, das an den Armeniern begangen wurde, noch jenes an den Sudetendeutschen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist nicht eine Frage der ...!)

Ich möchte diesbezüglich ganz dezidiert festhalten – wir halten fest: Auch das war ein Genozid (Abg. Dr. Lichtenberger: Was ist ein Genozid?), und er gehört, wie ich meine, von der Wertegemeinschaft Europa entsprechend gewürdigt.

Ich möchte wiederholen: Das Messen mit zweierlei Maß ist, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht, leider Gottes immer Mode. Die Armenier bemühen sich international – zum Teil sehr erfolgreich – um Anerkennung dieses Genozids als Genozid. Auch die UNO hat sich schon in mehreren Resolutionen damit beschäftigt. Österreich hat immer den Standpunkt eingenommen, dass man dies in die besagte Richtung qualifizieren soll.

Ebenso wurden in verschiedenen anderen europäischen Staaten in der jüngsten Vergangenheit ähnliche Anträge gestellt. Dabei darf jedoch nicht passieren, was zum Beispiel in Frankreich geschehen ist:

Dort wurde im Mai 1988 ein gleich lautender Antrag in der Nationalversammlung zur Abstimmung gebracht und auch beschlossen. Auf dem Weg in die zweite Kammer gab es dann natürlich – berechtigte oder unberechtigte; ich nehme an, unberechtigte – Proteste gegen diesen Beschluss von Seiten der türkischen Regierung. Man drohte Frankreich mit der Stornierung von Milliardenaufträgen im Infrastruktur-, aber auch im Militärbereich. Das nun hat den Herrn "Gutmenschen", den Präsidenten Chirac, dazu veranlasst, sich bei Präsident Demirel zu entschuldigen und auf den Senat, die zweite Kammer, Druck auszuüben. Im Senat ist dieser Antrag dann tatsächlich gefallen.

Ich glaube nicht, dass man sich in der Frage der Menschenrechte, wenn man es wirklich ernst meint, von pekuniären Mustern leiten lassen darf. Das, was in Frankreich in diesem Punkt passiert ist, darf in Österreich nicht passieren, nämlich dass man eine zwiespältige Haltung einnimmt, wenn es darum geht, Verletzungen von Menschenrechten nicht als solche anzuerkennen oder zumindest zweideutig oder verschiedenartig zu interpretieren.

Wir haben nun eine gute Chance, im Menschenrechtsausschuss eine umfassende Diskussion darüber, wie wir es bei der Bewertung von Menschenrechtsverletzungen allgemein und im Speziellen halten, abzuführen. Und wir sollten uns dabei keine Schranken auferlegen, so dass wir Menschenrechtsverletzungen in unserer unmittelbaren Umgebung, die bis heute wirken, nicht auf die Tagesordnung setzen.

Ich werde mit meiner Fraktion darauf drängen, dass wir im Menschenrechtsausschuss auch über die Frage der Menschenrechtsverletzungen an den Sudetendeutschen und jenen aus dem ehemaligen jugoslawischen Raum und genauso über alle anderen Menschenrechtsverletzungen in Europa diskutieren. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

18.06

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe den Antrag betreffend Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts gestellt, einerseits deshalb, weil es ein altes Anliegen der Armenierinnen und Armenier ist, andererseits, um potentiellen Tätern, den Tätern von morgen, auch durch parlamentarische Beschlussfassungen zu signalisieren, dass es zwar sehr lange dauern kann,


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