Volk. Da sagt zum Beispiel laut "Presse" vom 23. Feber Minister Grasser: "Keine Familienbeihilfe für Reiche." "Die Regierung muß signalisieren, daß wir bei den Reichen zu sparen anfangen." Die Vizekanzlerin dieser Regierung und jetzige FPÖ-Obfrau Riess-Passer wird ebenfalls in diesem Artikel der "Presse" zitiert. Sie meint: "Die Sache ist relativ klar. Die Einführung einer Einkommens-Obergrenze bei der Familienbeihilfe ist verfassungsrechtlich nicht möglich."
Was gilt denn nun, Herr Bundeskanzler? (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Die Verfassung!) – Die Verfassung. Ich bin froh, dass die Verfassung noch Gültigkeit in unserem Staate hat. (Beifall bei der SPÖ.)
Heute hat es eine Pressekonferenz gegeben. Herr Bundeskanzler, Sie haben diese als "Gipfel" angesprochen. Da gibt es ja auch ganz interessante Feststellungen. Herr Staatssekretär Waneck sagt: Selbstbehalte sind nach wie vor ein Thema. – Frau Bundesministerin Sickl sagt: Was sind die Privilegien in der Sozialversicherung? Aus dem Dienstrecht der Sozialversicherungsbediensteten muss Luft rausgelassen werden. Die Kollektivverträge müssen überdacht werden. Erst wenn dies erledigt ist, darf man über Selbstbehalte nachdenken. – Zitatende.
Was heißt denn dieses "Luft rauslassen", Herr Bundeskanzler? Bedeutet das einen Totalangriff auf die Arbeitnehmerrechte von 30 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Sozialversicherung – auf Krankenschwestern, auf Pflegehelfer, auf Beschäftigte in der Verwaltung? Bedeutet es das? Und was heißt das im Zusammenhang mit dem Thema Selbstbehalt? Vielleicht können Sie uns endlich einmal aufklären. Frau Bundesministerin Sickl war ja bei der Dringlichen Anfrage nicht einmal in der Lage, eine einzige Frage zu beantworten. Vielleicht liegt diese Aufklärung in Ihrer Regierungskompetenz. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich muss sagen, sehr verwundert bin ich auch über den Kollegen Donabauer. Der kommt da glatt heraus und macht eine tatsächliche Berichtigung. Ich schätze ihn ja im Allgemeinen sehr und wundere mich daher, dass er auf einmal Zahlen vergessen hat. Offensichtlich ist das eine neue Regierungsform, Zahlen zu vergessen – nicht nur Budgets vom Vorjahr zu vergessen, sondern Zahlen überhaupt.
Die Gesamtaufwendungen für die Pensionsversicherung der Gewerblichen Wirtschaft und der Bauern seit 1970 mit Ausgleichszulage haben nämlich 769,5 Milliarden Schilling betragen, Herr Kollege Donabauer. Und da sind die Versichertenbeiträge dabei. – Das heißt also, Ihre tatsächliche Berichtigung war keine tatsächliche Berichtigung, sondern eine falsche Feststellung.
Auf der anderen Seite, Herr Bundeskanzler, Sanierung, harte Sanierung. Was lese ich heute in einer Zeitung, die ich ja eigentlich nicht immer, nicht täglich, lese, sie heißt allerdings so (die Rednerin hält ein Exemplar von "täglich Alles" in die Höhe): Rekordgewinn der OMV auf unsere Kosten. Aktionäre jubeln, Autofahrer bluten.
So, und jetzt kommen wir zum anderen Thema: Privatisierung. Die Börse Wien ist Schlusslicht in der EU. Die internationale Isolation Österreichs zufolge der schwarz-blauen Koalition und die heftige Diskussion über Privatisierungsprogramme hat die Kurse der VOEST-Babies schwer angeschlagen. – Weitere Zahlen können Sie diesem Zeitungsartikel gerne entnehmen.
Herr Bundeskanzler! Sie haben gesagt: Abfertigung; neue Pensionskassen schaffen. Sie schaffen die Abfertigung ab, zwingen die Leute in Pensionskassen, die zum Teil ja auch mit Aktien handeln, und Sie gehen sorglos mit unseren Aktien um, indem Sie unser Staatssilber verscherbeln wollen. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler! Sie haben gesagt, Sie tragen gerne die Verantwortung in diesem Staat. Ich finde es schön langsam verantwortungslos gegenüber den Menschen unseres Staates, die Verantwortung so zu tragen, wie Sie es in Ihren Ausführungen heute kundgetan haben. Und nachdem ich Ihren Ausführungen zugehört habe, kann ich auch das verstehen, was ich heute im Untertitel des "Standard" gelesen habe: "Jörg Schüssel oder: Die Verhaiderung des Bundeskanzlers hat schon begonnen." Herr Bundeskanzler! Wenn Sie dieses Land wirklich lieben, ziehen Sie die entsprechenden Konsequenzen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Opposition macht keinen Spaß! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
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