Etwas Ähnliches brauchen wir auch in einem Fall wie diesem, sage ich jetzt einmal ganz neutral. Österreich ist der Anlassfall. Es kann aber demnächst auch andere Länder treffen, Beitrittsländer zum Beispiel und so weiter. (Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. ) Es bestehen ja schon Vorarbeiten im Sinne der Erarbeitung eines europäischen Grundrechtskatalogs – das ist genauer zu definieren (Abg. Dr. Martin Graf: Was wollen Sie den Beitrittskandidaten damit ausrichten?) –, damit sich nicht jeder sozusagen mehr oder weniger – wie sagt man? – libertär oder jedenfalls ohne genaue Abgrenzung dieser Begriffe darauf berufen kann.
Noch etwas, Herr Bundeskanzler: Ich bin ja auch skeptisch bezüglich des SPÖ-Vorschlages hinsichtlich dieses Neuner-Gremiums, dieser Beobachtergruppe. Ich verstehe jedoch nicht ganz, warum Sie das – meiner Meinung nach – abqualifizierend als "Tugendausschuss" bezeichnet haben. Da geht es immerhin, sofern ich die SPÖ richtig verstanden habe, beispielsweise um die Beobachtung, ob es rassistische Äußerungen gibt, und generell um die Beobachtung, ob die Präambel des Koalitionsvertrages eingehalten wird. (Abg. Dr. Martin Graf: In Frankreich? In allen Ländern? – Abg. Dr. Ofner: Wir sind ja kein Protektorat!) Das hat vielleicht etwas mit Tugend und Untugend zu tun, aber ich habe Ihre Äußerung als sehr abqualifizierend empfunden. (Beifall bei den Grünen.)
Nun zum eigentlichen Tagesordnungspunkt. Ich fühle mich ja etwas ... (Abg. Dr. Khol: Ein Zwischenruf!) – Ein Zwischenruf. (Abg. Dr. Khol: Halten Sie die EU-Sanktionen für gerechtfertigt oder nicht? Ein klares Wort dazu!) – Ich habe das schon oft gesagt. Die Sanktionen gegenüber der Bundesregierung sind auf Grund der Regierungsbeteiligung der FPÖ absolut verständlich (Unruhe bei der ÖVP – Abg. Böhacker: Sie beleidigen 1,3 Millionen Wähler!), aber es hat in einer Reihe von Fällen überschießende, nicht gutzuheißende Reaktionen gegeben. Wir streiten dafür, dass diese Reaktionen aufhören. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Ich werde mich jetzt nicht mehr von der Tagesordnung abbringen lassen (Abg. Mag. Steindl: Jaja!) – ganz egal, was die rechte Seite des Saales dazu sagt. Ich habe mich bei dieser Dringlichen Anfrage etwas unbehaglich gefühlt, weil man bei der SPÖ den Eindruck gewinnen kann: Na eigentlich wäre es das Beste, wenn alles beim Alten bliebe. (Abg. Dr. Khol: Ja! Das stimmt!) Der Status quo ist das Beste. – Ich weiß schon, dass Sie das nicht so meinen, aber dieses Gefühl konnte man nach den bisherigen Äußerungen haben. (Abg. Dr. Khol: Strukturkonservativ!) Bei der Volkspartei hingegen (Abg. Dr. Khol: Jetzt kriegen wir es!) – ich werde es dann gleich nuancieren, differenzieren – konnte man in den vergangenen Tagen manchmal den Eindruck eines spiegelverkehrten Vulgärmarxismus gewinnen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Marx sagt: Alles Übel dieser Welt liegt im Privateigentum an den Produktionsmitteln. – Spiegelverkehrt die ÖVP: Wir brauchen nur zu privatisieren, und alles ist leiwand. – Nicht? (Abg. Dr. Khol: Ich verstehe!) Das meinte ich mit meiner Charakterisierung. (Abg. Mag. Steindl: Sie kriegen nicht einmal Applaus von Ihrer eigenen Fraktion!)
Bundeskanzler Schüssel hat sich ja heute wesentlich nuancierter erklärt, muss ich sagen. Ich bejahe zum Beispiel das Ziel, dass der Schuldenstand von 80 Milliarden Schilling in absehbarer Zeit abzubauen ist, ich halte das für ein durchaus legitimes Ziel. (Ruf bei den Freiheitlichen: Machen Sie nur weiter so, Herr Professor!) Ich frage mich zwar zwischendurch: Wo sind denn die anderen Milliarden von der Post geblieben? – Da fehlen ja noch einige Milliarden, aber sagen wir einmal: 80 Milliarden Schilling stehen derzeit zur Debatte.
Ich hätte es für gescheiter gehalten, wenn dieser Auftrag als Globalauftrag an die ÖIAG beziehungsweise an die neu zu konstruierende Holding erteilt worden wäre und nicht gleich sozusagen durch eine politische Intervention des Ministerrats dahin gehend, wie bei den einzelnen Firmen vorzugehen ist. Das sollen Fachleute entscheiden. Warum denn Politiker?, und seien es auch so "hoch qualifizierte" wie die jetzigen in der Bundesregierung – ironisch gemeint, sonst ist es irreführend im Protokoll. (Abg. Dr. Stummvoll: Der war schlecht! – Abg. Schwarzenberger: Das haben Sie durchaus ehrlich gesagt! – Abg. Böhacker: Das war eine Freudsche Fehlleistung!)