Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 70

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Neben ökonomischen Faktoren ist auch der weltanschauliche Aspekt der Gesundheit zu berücksichtigen. Vom hohen Norden kam vor 20, 30 Jahren immer dieser Unkenruf: Alles ist machbar! In Schweden hat man das damals produziert, diesen Machbarkeits-Wahn, und auch in der Gesundheitspolitik hat man das so dargestellt: Alles ist machbar! Das vollkommene Heil und die Ganzheitlichkeit ist in den Vordergrund gestellt worden.

Selbst der WHO-Begriff "Gesundheit" hat utopische Züge, wenn da Gesundheit als Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens beschrieben wird. – Meine Damen und Herren! Das wird nie finanzierbar sein, weil es nicht möglich ist!

Die Kehrseite dieses utopischen Denkens und Gesundheitsbegriffs besteht darin, dass jede Beeinträchtigung des Wohlbefindens als Verhinderung des Glücks, als Einschränkung sinnhaften Lebens und somit ausschließlich negativ bewertet wird.

Die Definition der WHO bestärkt ein Anspruchsdenken und eine Anspruchshaltung, die uns auch finanziell zu stark belasten. Die Probleme bestehen darin, dass es zu einer unendlich hohen Erwartungshaltung beim Patienten und zu einem sehr starken Erwartungsdruck bei den Gesundheitsberufen und bei den Politikern kommt. Der Mensch muss in seinem sozialen Umfeld, mit seinen Schwächen, seinem Mensch-Sein gesehen werden. Warum werden zum Beispiel im Durchschnitt in England – da gibt es Studien – Akademiker um zirka 8 Jahre, glaube ich, älter als Arbeiter? – Weil man dort anscheinend nicht das soziale Umfeld berücksichtigt.

Der hohe Erwartungsdruck schlägt sich in einer extremen Verrechtlichung des Arzt-Patienten-Verhältnisses nieder. Einerseits dient diese Ausdehnung der Patientenrechte der Stärkung der Autonomie des Einzelnen, aber auf der anderen Seite führt sie auch zu einer Defensiv-Medizin, denn jeder Arzt versucht eher, falsche Handlungen zu vermeiden – mit mehr Untersuchungen, mit mehr Technik –, als die richtigen Maßnahmen schnell zu ergreifen. Ich glaube, so wird Medizin nicht billiger, nicht humaner und, wie ich meine, auch nicht ethischer.

Diesen Aspekt, diesen Gedanken sollten wir mit einbringen: dass nicht alles machbar ist, dass wir auch die Medizin nicht unendlich finanzieren können. Wir sind endlich, und wir sind auch beschränkt in unseren Möglichkeiten, aber auch in unserem Tun. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte.

13.18

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kürzlich hat die FPÖ/ÖVP-Regierung ihr 100 Tage-Jubiläum gefeiert und auf ihre Errungenschaften hingewiesen. Ich möchte einige dieser "Errungenschaften" in Erinnerung rufen: Erhöhung der Rezeptgebühr, Behandlungsbeitrag für die Inanspruchnahme einer Spitalsambulanz mit Überweisung eines Arztes 150 S, ohne Überweisung 250 S, Erhöhung des Spitalskostenbeitrages, Kürzung der Dauer des Krankengeldbezuges von 78 auf 52 Wochen, Einsparungen bei den Zuzahlungen zu Heilbehelfen, wie zum Beispiel Krücken, Rollstühle et cetera, verordnetes Sparpaket für die Sozialversicherung, und so weiter, und so weiter. – Wahrlich eine Bilanz, meine Damen und Herren, auf die Sie "stolz" sein können! Die Belastungen zeigen, dass das Gerede von den rein ausgabenseitigen Sparmaßnahmen nur "Geschwafel" ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierung hat massive Probleme, und diese Probleme lassen sich anscheinend am besten mit dem Geld der "kleinen" Leute lösen.

Nun einige Statements zu den Spitalsambulanzen. – Es ist für viele Patienten, speziell in den ländlichen Gebieten, oft gar nicht möglich, einen Facharzt aufzusuchen. Gibt es keinen Facharzt in der Nähe, dann sind sie auf die Behandlung in einer Spitalsambulanz angewiesen.


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