Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 36. Sitzung / Seite 99

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damit auch eine Phase der österreichischen Innenpolitik, in der die Regierungsparteien nichts unterlassen haben, um den Eindruck zu erwecken, dass Österreich auf dem Prüfstand stünde und nicht eine bestimmte Partei und deren Regierungsbeteiligung.

Jedem, der im In- oder im Ausland nicht bereit oder willens war, Ihre parteipolitische Linie zu vertreten, wurde Patriotismus abgesprochen. Zuerst betraf es die Vertreter der Oppositionsparteien und jüngst erst die österreichischen Diplomaten.

In Wahrheit war aber Ihre schamlose Vernaderungs-Kampagne erst der erste Akt einer groß angelegten Strategie der Einschüchterung. Und Einschüchterung scheint mir überhaupt ein zentraler Begriff zu sein, wenn es um viele Bereiche Ihrer Politik geht. (Abg. Rosemarie Bauer: "Vernaderung"? – Dafür habe ich schon einmal einen Ordnungsruf gehört!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Wir sind in der Präsidiale übereingekommen, dass wir mit Ordnungsrufen sparsam umgehen sollten, und ich möchte diesen Brauch auch gerne verfolgen. Aber das heißt auch, dass die einzelnen Redner ihre Worte mehr auf die Waagschale legen, und ich ersuche Sie, von solchen Worten Abstand zu nehmen. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (fortsetzend): Herr Präsident! Ich lege meine Worte sehr wohl auf die Waagschale und stehe politisch zu dem, was ich gesagt habe und möchte es auch begründen. (Abg. Schwarzenberger: Aber die Waagschale hat eine Schieflage!)

Die Sozialdemokratie ist ihre Regierungsverantwortung mit dem Leitsatz, "alle gesellschaftlichen Bereiche mit Demokratie zu durchfluten", angetreten. Im Moment erlebe ich viele Signale und Handlungen, die darauf hindeuten, zumindest viele Bereiche dieser Gesellschaft mit Einschüchterung zu durchfluten. Ich möchte Ihnen, um das zu begründen, einige dieser klaren Signale auch benennen und verwende dafür einige Zitate des Kärntner Landeshauptmanns, der in einer der Regierungsparteien nach wie vor den Takt angibt.

Beispielsweise möchte ich Sie an die Aussage erinnern, Ordnung in den Redaktionsstuben schaffen zu wollen. Nachdem er Landeshauptmann geworden ist, kündigte er an, die Auszahlung der Landes-Presseförderung von journalistischem Wohlverhalten abhängig zu machen. Oder: Eine weitere Aussage richtete sich als Signal an die Herausgeber der Zeitungen, die da lautete, die Hand, die einen füttert, nicht zu beißen. Aber auch der Klubobmann der ÖVP konnte sich dieser Linie anschließen, indem er im Zusammenhang mit Presseförderung und Posttarifen ankündigte, eine Gelegenheit zu haben, um Böcke von Schafen zu trennen.

Und dann gibt es noch die heute viel diskutierte Aussage des Kärntner Landeshauptmannes, politisch anders Denkende strafrechtlich verfolgen zu wollen, und den zustimmenden ersten Satz des Justizministers, diese Aussage als verfolgenswert zu bezeichnen, um sie dann ausgiebig überschlafen zu müssen, um dann nämlich zur Erkenntnis zu kommen, dass Meinungsfreiheit in dem Land bedeutet, dass man derartige Dinge androhen darf.

Der nächste Schritt, den Sie setzen, ist, dass Sie Stück für Stück darangehen, der Meinungsvielfalt ihre materielle Grundlage zu entziehen. Dazu möchte ich aus dem eindrucksvollen Referat, das der Vertreter des Verbandes der österreichischen Zeitungsherausgeber, Oscar Bronner, in Alpbach gehalten hat, zitieren. Er sagt:

Daher ist es auch unsere Pflicht, als Interessenverband für das freie Wort unsere Stimme zu erheben, wenn alles so aussieht, als ob unbequeme Stimmen zum Schweigen gebracht werden sollen. Es beginnt bei prosaischen Dingen, die die ökonomischen Rahmenbedingungen für Medien verschlechtern. – Zitatende.

Bronner schließt dieser Aussage eine Liste an, wie etwa die existenzgefährdende Hinaufsetzung der Postgebühren beim Zeitungsversand und die dramatischen Kürzungen der Presseförderungsmittel.

Presseförderung, meine Damen und Herren, ist kein Disziplinierungsinstrument, und daran sollte sich auch die aktuelle Politik halten. (Beifall bei der SPÖ.)


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