Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 36. Sitzung / Seite 204

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aber nicht wirklich unser Problem. Vielmehr müssen Sie das dann den Normadressaten und Rechtsunterworfenen erklären, wenn dieser Zustand weiter besteht. – Das Motto der neuen Bundesregierung – auch in diesem Zusammenhang – ist jedenfalls: Hauptsächlich schnell, der Inhalt ist nicht so wichtig.

Eigentlich wollte ich aber erwähnen – und jetzt spreche ich den Herrn Bundesminister auch inhaltlich an –, dass ein extrem signifikanter Punkt dieser neuen Law-and-Order-Welle, die jetzt über Österreich hereinbricht, nun umgesetzt wird. Der Vorschlag, dass die Ausnahme von der Anzeigenpflicht zum Schutz eines persönlichen Vertrauensverhältnisses abgeändert wird, stammt zwar zugegebenermaßen nicht von Herrn Dr. Böhmdorfer, sondern aus dem Koalitionsübereinkommen zwischen Blau und Schwarz, als Herr Dr. Böhmdorfer noch gar nicht Minister war. Dieser Vorschlag ist aber nichts anderes als eine Untermauerung der autoritären Wende, die in Österreich jetzt bedauerlicherweise vor sich geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was heute beschlossen wird, wird von allen, die in Fragen des Jugendschutzes – und darum geht es im Wesentlichen –, der Opferhilfe und des Opferschutzes tätig sind, unisono abgelehnt. Die Ablehnung, die im Begutachtungsverfahren vorgebracht wurde, wird in erster Linie damit argumentiert, dass die Verunsicherung der Nutznießer dieser Ausnahmeregelungen von der generellen Anzeigepflicht, die 1993 mit der Strafprozessnovelle eingeführt wurden, im Bereich der öffentlichen Dienststellen enorm groß ist.

Bei dieser StPO-Novelle 1993 wurde – ich kann mich noch sehr gut daran erinnern – wirklich auf eine gewissenhafte Abwägung zwischen den Interessen des Opferschutzes, der effektiven Opferhilfe und, im Gegensatz dazu, das legitime Interesse der Strafverfolgung extrem viel Wert gelegt. Das können Sie auch im Ausschussbericht der seinerzeitigen Novelle nachlesen. Bei den Ausnahmen von der Regel, die geschaffen wurden, hat der Gesetzgeber sich ausschließlich darauf bezogen, dass eine gewissenhafte und wirklich berufspezifische Interessenabwägung erfolgt.

Im Rahmen der Dokumentation über die bisherigen Erfahrungen findet sich beispielsweise auch ein Zwischenbericht einer Begleitstudie im Zusammenhang mit der Reform der Anzeigepflicht im Ärztegesetz. Darin steht, dass alles bestens ist, und all die Drohungen, die in den vergangenen Monaten ausgesprochen wurden, dass das etwas mit Kindesmissbrauch und weniger Schutz für die Opfer zu tun habe, stimmen schlicht und einfach nicht!

Ich bin keine Expertin, die vor Ort tätig ist, daher kann ich mich nur auf die diesbezüglichen Erfahrungen stützen, die die Jugendämter, der Magistrat der Stadt Wien, die Bewährungshilfe, die Jugendgerichtshilfe und vor allem auch die Lehrer und Lehrerinnen, die in einer solchen Konfliktsituation eine Interessenabwägung vornehmen mussten, gemacht haben und welche im Begutachtungsverfahren dokumentiert sind. Und daraus geht hervor, dass es null Regelungsbedarf im Sinne von Opferschutz und Opferhilfe gibt.

Es gibt jedoch den explizit und deutlich formulierten Wunsch dieser Bundesregierung, dass wir den Menschen das Gefühl geben müssen, dass Strafverfolgung wichtiger ist als Opferschutz. – Das ist nämlich das Resultat dieser Novelle.

Deshalb möchte ich folgenden Antrag verlesen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Freunde und Freundinnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Initiativantrag der Abgeordneten Fekter, Ofner und Genossen, 209/A, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000) wird abgeändert.


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