Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 39. Sitzung / Seite 62

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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

14.05

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren Volksvertreter! Zunächst haben wir eine prinzipielle Frage zu klären, nämlich die Frage, ob das Ziel, in den nächsten zwei Jahren keine neuen Schulden mehr zu machen, außer Streit steht. Ich habe eigentlich gedacht, nach dem Reformdialog 1 und 2 hätten wir einen solchen Konsens, bei dem alle Bundesländer, ganz gleich, wer an der Spitze eines Bundeslandes steht, dabei sind. Da sind Sozialdemokraten, Christdemokraten und Freiheitliche dabei, Städte, Gemeinden, die Sozialpartner und die politischen Parteien. Ich hätte gedacht, dass wir das Ziel, Vollbeschäftigung zu erreichen und keine neuen Schulden mehr zu machen, außer Streit stellen können.

Ich habe noch in Erinnerung, dass sich Oppositionsführer Alfred Gusenbauer Ende August sehr klar zu diesem Ziel bekannt hat, genauso wie auch Professor Van der Bellen. Ich war allerdings etwas überrascht, als in diesen Tagen ein sehr wichtiger Sozialdemokrat, der Gewerkschafter Sallmutter, ein Buch präsentiert hat mit dem Titel "Der Mythos Nulldefizit", in welchem er massiv kritisiert hat, dass eine "Gehirnwäsche" von Seiten der Regierung, der Regierungen in ganz Europa eingesetzt habe. Dieser Mythos sei überhaupt nicht vertretbar, meint er, wir bräuchten das überhaupt nicht. Auf die Frage, ob nicht auch 1996 ein solcher Crash-Kurs notwendig gewesen wäre, antwortete Sallmutter: Ja, die "Gehirnwäsche" hat auch unter Sozialdemokraten gut funktioniert.

Wenn wir der Bevölkerung gegenüber gemeinsam eine Kraftanstrengung, die nicht schmerzlos sein kann, vertreten wollen, dann ist es schon wichtig, zu wissen, ob dies überhaupt funktionieren kann und ob dies auch wirklich außer Streit steht. Ich möchte das schon wissen.

Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt in der Debatte sehr genau die ersten zwei Runden zugehört und musste feststellen, dass enorm viel Kritik von Seiten der Opposition – keine einzige Maßnahme blieb unbestritten – geübt worden ist, dass aber kein einziger Vorschlag dahin gehend gekommen ist, konstruktiv, alternativ zu diesem Ziel etwas beizutragen. Und das reicht nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie können nicht wegdiskutieren, in welcher Situation wir sind. Wir haben auf Grund der Schulden der Vergangenheit im Jahre 1999 114 Milliarden Schilling für die Bedienung der Schulden ausgegeben. In dieser Summe sind nicht nur die klassischen Zinsen enthalten, sondern auch die Spesen und die Zinsen für die Swaps, die man auch rechnen muss. Das ist von den Wirtschaftsforschern völlig außer Streit gestellt worden.

Überlegen Sie einmal, was man mit 114 Milliarden Schilling sonst anfangen könnte! Natürlich kann man der Auffassung sein, das Ziel "Nulldefizit" brauche nicht 2002 erreicht sein, sondern es würde vielleicht auch reichen, wenn dies 2003 oder 2004 der Fall wäre. Aber was wäre denn die Folge davon? Wäre es dann leichter, dieses Ziel zu vertreten? – Ich glaube es nicht. Und das wissen doch diejenigen, die mit Wirtschaftspolitik ein bisschen zu tun haben, ganz genau. Heuer, nächstes Jahr und übernächstes Jahr noch einmal 60 Milliarden Schilling Defizit zu machen – das wäre ja die Alternative –, hieße, dass dann jeweils noch einmal 3 Milliarden Schilling pro Jahr an zusätzlichem Defizit dazukommen würden.

Jetzt haben wir eben eine wirkliche Chance, ein Fenster der Gelegenheit, ein "window of opportunity": Die Konjunktur ist so gut wie schon lange nicht – im ersten Halbjahr 4 Prozent Wachstum –, über 10 Prozent Exportsteigerung, hervorragende Beschäftigungsdaten. Ja wann denn, meine Damen und Herren, soll man das Budget in Ordnung bringen, wenn nicht in Zeiten der Hochkonjunktur?! Wenn es schlechter wird, geht es ja erst recht nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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