Es sind schwerwiegende Anschuldigungen erhoben worden, die strafrechtliche Konsequenzen haben; ich sage das hier sehr deutlich. Ich bekenne mich daher ausdrücklich dazu, dass diese Vorwürfe von den unabhängigen Gerichten voll und ganz untersucht werden sollen – nicht von einer Politjustiz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ebenso ist klar, meine Damen und Herren, dass die Unschuldsvermutung zu gelten hat, und zwar für jeden, ob er Politiker, Journalist oder Polizist ist. Ich verweise hier auch ausdrücklich auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die im Artikel 6 stipuliert:
"Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über" ihn zu entscheiden hat.
Absatz 2: "Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist."
Meine Damen und Herren! Um wieviel mehr gilt das erst für Menschen, gegen die Vorerhebungen – keineswegs eine Anklage; Vorerhebungen (Zwischenruf des Abg. Edler ) – in die Wege geleitet worden sind! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Untersuchungsausschuss!) Daher: ja zur Untersuchung, nein zu einer Vorverurteilung.
Ich gebe Ihnen Folgendes zu bedenken, meine Damen und Herren: In Österreich sind die Lasserschen Artikel abgeschafft – richtigerweise abgeschafft –, daher ist aber die Frage der journalistischen Sorgfaltspflicht umso stärker in den Vordergrund zu rücken. Ich verweise hier insbesondere auf Professor Ermacora und sein "Handbuch zum Völkerrecht und zur Europäischen Menschenrechtskonvention". (Abg. Öllinger: Das Handbuch für die Bundesregierung!) Geben Sie sich einen Moment der Prüfung hin, ob die Magazine, die heute erschienen sind, in der Art und Weise der Aufmachung genau diese Unschuldsvermutung widerspiegeln! Ich glaube, die Sensibilität im Umgang mit der Sprache, mit Bild und Ton ist für jedermann klar, aber dann sollte dies auch hier gelten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich sage Ihnen namens dieser Bundesregierung: Der Umgang mit dem Bürger, der Umgang mit den Daten der Bürger ist höchst sensibel. Wir sind uns dessen bewusst. Das heißt, der Umgang mit Akten, der Umgang mit Polizeidaten aus dem Computer, der Umgang mit vertraulichen Rechnungshofberichten ist sehr wohl ein Thema (Zwischenrufe bei der SPÖ), und ich fordere das Hohe Haus auf, sich die Frage zu stellen: Was soll vertraulich sein? Wie kann man dem berechtigten Anliegen des öffentlichen Interesses und dem individuellen Vertrauensschutz wirklich Rechnung tragen?
Ich habe dieses Thema am Nationalfeiertag in meiner Rede auch offen angesprochen und wiederhole hier: Meine Damen und Herren der Opposition! Ich traue dem unabhängigen Justizminister Dieter Böhmdorfer, der kein Parteimitglied ist (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), zu, dass er unbeeinflusst und ohne Weisung die Justizbehörden untersuchen lässt – weil das selbstverständlich sein muss, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Und ich traue dem österreichischen Innenminister, Ernst Strasser, zu, dass er die Polizei- und Sicherheitsbehörden im Auftrag der Justiz unbeeinflusst erheben lässt, aber dann auch die notwendigen Konsequenzen zieht und den gleichen Reformeifer dort einkehren lässt, wie es in allen anderen Bereichen selbstverständlich geworden ist. Ich traue das Ernst Strasser zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ein Letztes: Der Oppositionsführer Alfred Gusenbauer hat in einem Interview gegenüber dem "FORMAT" erklärt: Es zeigt, dass der Bundeskanzler völlig von Sinnen ist, wenn er die politische Verantwortung früherer Innenminister releviert. – Meine Damen und Herren! So viel einmal zur Sensibilität und zum Umgang mit der Sprache. Aber das ist Ihr Thema, nicht meines. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)