Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 77

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ments schüren. Das ist die Wahrheit dieser Geschichte! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nur wer derart unbefangen ist, wie Sie es sind, der kann die Arbeitslosen für die Zwangsarbeiter sühnen lassen. Das ist der Punkt! (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Wer derart unbefangen ist wie Sie, der kann die Arbeitslosen für die Zwangsarbeiter sühnen lassen und den Insolvenzfonds plündern. Das ist in Wirklichkeit nicht mehr erotisch, sondern die größte Geschmacklosigkeit Ihres Budgets! (Beifall bei der SPÖ.)

14.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

14.10

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren Volksanwälte! Herr Kollege Posch, das war eher gespenstisch, was Sie uns hier von Ihrer Geschichtsphilosophie erzählt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Bures.  – Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung SPÖ –: Das soll ein Lehrer sein!)

Ich möchte Ihnen eines dazu sagen: Nicht wir und schon gar nicht der Bundeskanzler wollen die Rolle Österreichs in irgendeiner Weise beschönigen und verschweigen – im Gegenteil. Es geht uns in keiner Weise darum, Österreich in einer Opferrolle darzustellen, es geht uns nicht darum, Täter zu verschweigen oder Untaten zu beschönigen, aber es geht darum, meine Damen und Herren, Geschichte nicht zu verfälschen und umzuinterpretieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Akzeptieren wir doch gemeinsam: Österreich war ein Opfer! Österreicher waren unter den Opfern des Nationalsozialismus. Aber Österreicher waren selbstverständlich auch unter den Tätern; wir bekennen das auch ein, wir schämen uns auch dafür, und wir bedauern das auch zutiefst. Daraus ergibt sich auch die Anerkennung von moralischer Verantwortung für die Republik Österreich und auch für ihre Regierungen. Dazu stehen wir, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Niemand wird leugnen, dass Hunderttausende den gewaltsamen Einmarsch Hitlers begrüßten. Niemand wird leugnen, dass die große Mehrheit schließlich – aber einen Monat nach dem Einmarsch – für den "Anschluß" Österreichs stimmte. Aber nehmen wir doch auch zur Kenntnis, dass rund 80 000 Österreicher verhaftet wurden – Sozialisten, Kommunisten, Christdemokraten – und die ersten politischen Gefangenen schon acht Tage nach dem Einmarsch als Opfer des Nationalsozialismus und wegen ihres Einsatzes für ein freies Österreich nach Dachau geschickt wurden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir lassen uns auch nicht andauernd vorwerfen, wir würden immer nur augenzwinkernd Vergangenheitsbewältigung betreiben, wir hätten nie Wiedergutmachung geleistet oder es zumindest versucht; wir hätten keine Restitution geraubten jüdischen Eigentums durchgeführt! Schauen wir doch, wie die Geschichte tatsächlich war!

Nehmen wir zur Kenntnis, dass es nach dem Krieg über 136 000 Verfahren gegen Nazis in Österreich gegeben hat, dass in über 28 000 Fällen Anklage erhoben wurde, dass 14 000 Schuldsprüche mit Strafen wie Freiheitsentzug, Berufsverbot und Verlust des Amtes gefällt wurden, dass 43 Personen zum Tode verurteilt wurden, dass 30 Urteile vollstreckt und rund 100 000 Beamte vom öffentlichen Dienst suspendiert wurden. Auch das ist eine historische Wahrheit, die wir auch an diesem heutigen Tag aussprechen sollten.

Meine Damen und Herren! Sieben Rückstellungsgesetze regelten die Rückstellung geraubten Vermögens. Bis zum Jahr 1966 endeten über 42 000 Verfahren zu rund je einem Drittel mit Vergleichen, Stattgebungen und Zurückziehungen beziehungsweise Abweisungen. Auf Grund des Opferfürsorgegesetzes wurden 7,9 Milliarden Schilling an politisch oder rassisch Verfolgte aus


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