Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 78

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gezahlt. Drei Hilfsfonds – 1956, 1962 und 1976 im damaligen Wert von 550, 600 und 440 Millionen Schilling – leisteten Wiedergutmachungszahlungen an die Opfer des Nationalsozialismus.

1995: Errichtung des Nationalfonds, der bisher über 27 000 Antragstellern Leistungen in einer Gesamthöhe von zirka 1,9 Milliarden Schilling ausbezahlt hat. Dazu kommt nun auch die bisher nicht geregelte Frage der Wohnungen, bei denen es sich vornehmlich um Mietverträge handelt, und auch die Frage der Unrechtmäßigkeiten im Zuge der Ausfuhrbewilligung von Kunstwerken. – All das wird uns weiter beschäftigen, und wir haben auch im Parlament den Gegenwert von 150 Millionen Dollar für entsprechende Wiedergutmachung bereitgestellt. In Anbetracht all dessen redet man noch immer davon, dass wir uns überhaupt nie mit diesem Thema der Wiedergutmachung beschäftigt hätten! – Nein, meine Damen und Herren, bleiben wir auch da bei der historischen Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Erst jetzt hat diese Regierung das Versöhnungsfonds-Gesetz beschlossen, meine Damen und Herren! Wir alle gemeinsam versuchen, den ehemaligen Zwangsarbeitern, die verschleppt, entrechtet, misshandelt und ausgebeutet wurden, zumindest teilweise, soweit das materiell überhaupt möglich ist, Wiedergutmachung angedeihen zu lassen, meine Damen und Herren!

Fassen wir doch zusammen, was historisch unbestritten sein sollte: Es ist unbestritten, dass Österreich als Staat bis 1938 gegen den Nationalsozialismus gekämpft hat. Es ist keine österreichische Erfindung, sondern es ist die Wahrheit, dass viele Tausende Österreicher wegen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus in das Konzentrationslager gehen mussten. Aber es ist auch Tatsache, dass viele Tausende Österreicher moralische Mitverantwortung an den Verbrechen des Nationalsozialismus tragen, meine Damen und Herren!

Es ist aber auch wegen unseres Widerstandes als Staat historische Tatsache, dass die Alliierten in der "Moskauer Erklärung" Österreich als freien und unabhängigen Staat wiederhergestellt und klargestellt haben, dass Österreich das erste freie Land war, das der Aggressionspolitik der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen ist, meine Damen und Herren!

Man darf auch nicht vergessen, dass kein europäisches Land Österreich im Kampf gegen Hitler unterstützt hat – weder beim Putschversuch der Nationalsozialisten 1934 noch in den Folgejahren, als Hitler immer wieder versuchte, sich Österreich einzuverleiben, und dies 1938 auch getan hat. Sofort wurden – auch das soll, so glaube ich, klargestellt werden – alle Botschaften der verschiedenen Länder in Österreich in Konsulate umgewandelt. Das war ein klares Zeichen dafür, dass Österreich nicht mehr als souveräner Staat angesehen und behandelt wurde.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Bleiben wir bei der historischen Wahrheit, und versuchen wir nicht, die gemeinsame Geschichte parteipolitisch zu vereinnahmen oder auszublenden! Wer bei der Bewältigung und bei der Aufarbeitung unserer Geschichte andere ausgrenzt und wer glaubt, ein Monopol auf politische Moral zu haben, meine Damen und Herren, der schadet den demokratischen Grundwerten in unverantwortlicher Weise! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. – Bitte.

14.19

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Die Worte von Herrn Abgeordnetem Kukacka haben mich betroffen gemacht, vor allem angesichts dessen, aus welcher Sicht er unsere Geschichte hier und heute dargestellt hat. Es ist, meine Damen und Herren, Hohes Haus, in Anbetracht der Rede von Herrn Abgeordnetem Kukacka vor mir und auch der Aussagen des Herrn Bundeskanzlers in der letzten Zeit traurig und schade, dass jene Opfer, jene Frauen und Männer, die 1934 vom austrofaschistischen Dollfuß-Regime ermordet wurden, nicht mehr zu Wort kommen können, um die Geschichte darzustellen, warum Österreich überhaupt ein Opfer wurde.


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