Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 50. Sitzung / Seite 219

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23.21

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Guten Abend! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vizekanzlerin Riess-Passer fordert das Aus der Ermittlungen. Landesrat Stadler geht noch weit darüber hinaus. Bundeskanzler Schüssel schweigt zwar ausnahmsweise nicht dazu, aber das, was er sagt, ist zwar nicht die wortwörtliche Wiederholung, aber nichts anderes als eine absolute inhaltliche Zustimmung zu dem, was die Vizekanzlerin gefordert hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das nicht ein wirkliches Verwechseln von Demokratie und autoritären Zügen oder Zügen eines autoritären Regimes ist, dann frage ich mich, was es sonst ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was ist es sonst, wenn die Vizekanzlerin einer Republik den Ermittelnden – in diesem Fall den Staatsanwälten und dem Untersuchungsrichter – ausrichten lässt: Na, meine Herren, jetzt ist es aber genug, Schluss mit Ihrer Arbeit, Schluss (Abg. Mag. Wurm: ... "Schluss mit lustig!"), weil sich – das hat sie wörtlich gesagt – das Hauptbeweismittel gegen das – in diesem Fall – einfache Parteimitglied Haider bei den Verdachtsmomenten als gefälscht herausgestellt hat; deshalb muss Schluss mit den Ermittlungen sein!

Erstens fragt man sich: Woher weiß die Frau Vizekanzlerin, dass das das Hauptbeweismittel ist? – Das, was man vorher aus der Staatsanwaltschaft gehört hat, war, dass dieser vermeintlich, vermutlich gefälschte Brief, also dieses Beweisstück, nicht das Hauptbeweismittel in dieser Sache ist, zumindest nicht so, dass das einen unmittelbaren Einfluss darauf hat, ob weiter ermittelt wird oder nicht.

Aber die Frau Vizekanzlerin – ich weiß jetzt nicht – ist entweder eine Wahrsagerin, oder sie hört irgendwie Stimmen, die ihr etwas zutragen, was wir nicht wissen. (Abg. Edlinger: Das ist sehr gefährlich!) Man muss sich das aber fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man fragt sich: Woher hat sie die Kenntnisse über diese Aussagen, oder redet sie nur so dahin? – Das ist nämlich auch eine Möglichkeit, die sich bei der Frau Vizekanzlerin manchmal aufdrängt: das zu meinen, dass sie einfach etwas so sagt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn dann die Standesvertreterin der Richter zu den Aussagen der Vizekanzlerin Kritik anbringt – jetzt kann ich nur wörtlich zitieren, was in ORF ON heute zu lesen war; sie sagt nämlich: "Jedenfalls meine ich, dass die Aufforderung der Vizekanzlerin, ein Verfahren zur Einstellung zu bringen, nicht mehr als zulässige Frage eines Außenstehenden betrachtet werden kann. Man musste den Eindruck gewinnen, dass Frau Vizekanzlerin Riess-Passer eigentlich erwartet, dass dieser Aufforderung Rechnung getragen wird" –, trifft sie es auf den Punkt, Frau Dr. Helige, ihres Zeichens Standesvertreterin der Richter.

Man muss den Eindruck gewinnen, dass dieser Aufforderung Rechnung getragen wird. Aber das ist jetzt noch eine Meinung, die die Präsidentin der Richtervereinigung ausdrückt. Man kann zu dieser Meinung der Präsidentin der Richtervereinigung stehen, wie man will, auch als Politiker und Politikerin.

Wozu wir aber eine eindeutige Meinung zu haben haben, ist die Frage: Wie agiert der Herr Bundesminister für Justiz in dieser Frage?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da kann ich Frau Dr. Helige wirklich nur vollinhaltlich zustimmen, wenn sie meint: "Wir" – damit meint sie: wir Richter und Richterinnen – "würden es als Aufgabe des Justizministers ansehen, hier deutliche Worte zu finden, die die politische Einflussnahme zurückweisen", meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dazu bedarf es nicht oppositioneller Abgeordneter, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern das ist die oberste Standesvertreterin der dritten Gewalt in diesem Staat, für die sie hier spricht!


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