Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 69. Sitzung / Seite 156

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Verständnis dieser Bundesregierung von Meinungsfreiheit Bekanntschaft gemacht hat: die "Linkswende". Dass Ihnen dieser Titel nicht passt, das verstehe ich, aber bezüglich der Reaktion, Herr Staatssekretär, befrage ich Sie. Diese Zeitschrift "Linkswende", 200 Exemplare Auflage, hat einen LeserInnenbrief abgedruckt, der sicherlich nicht sehr geschmackvoll war, aber es stellt sich die Frage nach der Reaktion der Bundesregierung.

In diesem LeserInnenbrief wurden unfreundliche Worte in Richtung der Bundesregierung verwendet. Mehrere freiheitliche Regierungsmitglieder haben sich beschwert gefühlt und Klage geführt, und der mittlerweile von mehreren als anerkannter Medienexperte bezeichnete Richter Dr. Weis hat in seinem Erkenntnis der ersten Instanz wörtlich festgehalten – ich zitiere wörtlich, Herr Präsident –:

"Gleichwohl das Wort ‚Scheißregierung‘ für sich betrachtet grundsätzlich geeignet ist, eine Beleidigung darzustellen, ist es gerade in diesem Fall bereits bei einer Verdachtsprüfung auf Grundlage des Antragsvorbringens zu erkennen, dass der objektive Tatbestand einer Beschimpfung, bzw. Verspottung im Sinne der §§ 6 Abs. 1 MedienG, 115 Abs. 1 StGB nicht hergestellt wurde."

Und weiter heißt es in der Begründung: "In diesem Milieu bedeutet aber das Wort ,Scheiß‘ keineswegs eine besondere Form der Herabsetzung oder negativen Bewertung und hat auch keinen besonderen Auffälligkeits- und Verletzungswert. Vielmehr wird ,Scheiß‘ in der Bedeutung von ,schlecht‘ oder ,mies‘ gebraucht. Es ist daher nach Art und Umständen der Anführung von ,Scheißregierung‘ diese Wortwahl nicht tatbestandsmäßig."

Dies entschied der Richter Dr. Weis. Doch siehe da, es kam die zweite Instanz, und – welch eine Überraschung! – der blaue Medienkurator Ernest Maurer judiziert: Das ist nicht so. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was heißt hier "blau"? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Er schickt es zurück an die erste Instanz. Und es ist auch bemerkenswert, dass das Regierungsmitglied, der Ex-Minister Schmid, der sich hier beschwert gefühlt hat, nicht den Staatsanwalt, die Staatsanwältin oder die Finanzprokuratur eingeschaltet hat. Nein! Wer, glauben Sie, hat hier Klage geführt? (Abg. Öllinger: Die bekannte Kanzlei!)  – Die Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff! (Abg. Dr. Mitterlehner: Was hat das mit Pressefreiheit zu tun? – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen, der ÖVP und den Grünen.) Und so ist diese Zeitung – sie hat mittlerweile mehrere andere Klagen; ja, sie heißt "Linkswende", und deswegen passt sie Ihnen nicht! – in ihrer Existenz bedroht. Es ist eine kleine Zeitung, vielleicht werden andere, größere nachfolgen und sind auch schon betroffen, etwa durch die Zitierungen und die Wiedergabe der Zitierungen des Abgeordneten Pilz.

Wissen Sie, es steht auf dem Papier sehr vieles von Meinungsfreiheit, aber – und das ist eben in diesem Zusammenhang die wesentliche Frage –: Wenn blaue Richter-Kuratoren, blaue Anwälte in diesem Dunstkreis agieren, dann droht aus dem Rechtsstaat, der auf dem Papier fest verankert ist, ein rechter Staat blauer Prägung zu werden. Herr Staatssekretär! Ihnen wünsche ich eine sehr gute Nachtruhe. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Westenthaler zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie beginnen doch sicher mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und stellen dieser Behauptung den berichtigten Sachverhalt gegenüber? – Danke sehr.

17.19

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Sicher, Herr Präsident! – Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Petrovic hat behauptet, Herr Richter Maurer sei "blauer Medienkurator" im ORF oder sonst wo. – Diese Aussage ist unrichtig und absolut falsch! (Abg. Dr. Kostelka: Er wurde von Ihnen vorgeschlagen!)

Tatsache ist, dass Herr Maurer ORF-Kurator, entsandt von der österreichischen Bundesregierung, ist. Er ist weder Mitglied bei der FPÖ noch Funktionär. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Er lässt sich nicht so leicht in ein Kasterl werfen, wie Sie das


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