Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 136

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die Interessen jener, die von dieser Regierung unter Druck gesetzt werden, jener, die von dieser Regierung unter menschenunwürdigen Umständen in Gefängnissen gehalten werden, öffentlich aktiv zu sein und sich zu ihrer Situation zu äußern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist der Grund dafür, dass wir dieses Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt haben, denn dieser fehlende Druck Österreichs und der Europäischen Union – auch von dort erfolgt er leider nicht – ist in unseren Augen eine falsche Vorgangsweise.

Nicht, dass wir gegen Gespräche auf diplomatischer Ebene sind – die sind notwendig, die sind sehr notwendig –, aber zu sagen, öffentlicher Druck schade dem Anliegen, wie das implizit aus den Aussagen der Außenministerin herauskommt, das ist der falsche Weg. Es braucht da klare Stellungnahmen, und die Türkei, die türkische Regierung und die Menschen in der Türkei müssen wissen, dass es der EU ein Anliegen ist, dass die Menschenrechtssituation verbessert wird, und dass sie verlangt, dass das relativ rasch geschieht. Da darf man nicht warten, zuwarten, hoffen, sondern dazu muss man sich deutlich äußern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster spricht Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

17.28

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich vertrete die Frau Außenministerin, die auf Besuch in Jordanien weilt, und bitte Sie, das zu akzeptieren.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Lunacek! Ich habe die schriftliche Anfragebeantwortung der Frau Außenministerin vor mir liegen. Sie haben richtig zitiert, im Schlusssatz sagt die Frau Außenministerin: "Bei der Achtung der Menschenrechte gibt es keine Kompromisse." – Sie haben zwar richtig, aber nur selektiv zitiert, dass die Frau Außenministerin formuliert hätte, solche tief greifenden Veränderungen könnten nicht unter Zeitdruck vonstatten gehen, wenn sie dauerhaft sein sollen, denn sehr wesentlich ist der vorhergehende Satz, und darin spricht die Frau Außenministerin davon, dass es in der Türkei um tief greifende Reformen im legistischen Bereich, im Bereich der Modernisierung der Türkei, der Stärkung der Demokratie und der Zivilgesellschaft geht, also fürwahr um Dinge, die nicht von heute auf morgen vonstatten gehen können.

Im Übrigen verweise ich auf die Stellungnahme der Frau Außenministerin, die ich nun zur Verlesung bringen darf. Die Frau Außenministerin führt darin sinngemäß Folgendes aus:

Das Eintreten für die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei ist ein ständiges Anliegen der österreichischen Außenpolitik. Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten hat daher in umfassender Weise bei ihrem letzten Gespräch mit Außenminister Cem während des Besuches in der Türkei die Situation der Menschenrechte besprochen, sehr geehrte Frau Abgeordnete. Außenminister Cems ausführliche Stellungnahme geht aus der schriftlichen Beantwortung Ihrer Anfrage hervor.

Ich bin sicher, dass Bundeskanzler Schüssel bei seiner bevorstehenden Türkeireise im Juni diese Problematik erneut zur Sprache bringen wird.

Zur Menschenrechtslage in der Türkei lassen Sie mich generell Folgendes sagen:

Als Mitglied der Europäischen Union vertritt Österreich in der Frage der Menschenrechte in der Türkei grundsätzlich dieselbe Haltung wie die übrigen Mitglieder der Europäischen Union. Seit dem Rat von Helsinki 1999 ist die Türkei EU-Beitrittskandidat auf Grundlage derselben Kriterien, die auch für die übrigen Kandidatenländer gelten. Die Europäische Union unterstützt die notwendigen Reformen mit einer so genannten Heranführungsstrategie, die unter anderem in einer Beitrittspartnerschaft konkretisiert wurde. Die Beitrittspartnerschaft legt sowohl die politischen


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