Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 69

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wichtiger Schritt, ein wichtiger Beitrag dazu, und Sie können sicher sein, viele weitere werden folgen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

12.42

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn kurz auf eine Anmerkung eingehen, die die Frau Vizekanzlerin gemacht hat.

Frau Vizekanzlerin, Sie haben gesagt, dass Österreich, auch über seine Grenzen hinaus betrachtet, ein Vorreiter in der Familienförderung ist. Das stimmt sehr wohl, aber das heißt noch lange nicht, dass diese Familienförderung dazu beiträgt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Das tut sie nämlich nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie beispielgebend hätten sein wollen, dann hätten Sie sich vielleicht ein Beispiel an Schweden nehmen sollen, das Sie ja auch zitiert haben. Dort ist nämlich für den Partner, meist ist dies der Mann, ein Monat – mir wäre das noch immer zu wenig, aber immerhin – Zeit beim Kind verpflichtend!  So etwas trägt zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei! Das wäre eine Möglichkeit gewesen, beides besser zu vereinen, aber diese Möglichkeit haben Sie verpasst. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie werden doch nicht Zwangsmaßnahmen befürworten, Frau Kollegin!)

Herr Bundeskanzler! Sie haben in Ihrer Erklärung gesagt, und Sie waren auch sehr stolz darauf, Österreich sei mit diesem neuen Gesetz, das heute beschlossen wird, ein Vorzeigeland in der Familienpolitik. – Da frage ich mich nur, wie es dann dazu kommt, dass die ersten beiden Redner Ihrer Fraktion, der ÖVP, heute zwei Männer waren. Erst der dritte Redebeitrag kam von einer Frau. Ich darf wohl annehmen, dass es hier innerhalb der ÖVP sehr viele Frauen gab, die mit diesem Modell nicht einverstanden waren. Hier ist – und das ist auch meine Ansicht – die ÖVP offenbar in Geiselhaft des FPÖ-Kinderschecks. – Das ist es, was Sie hier getan haben! (Abg. Dr. Trinkl: Ach Gott! Karenzgeld für alle, das haben wir jetzt!)

Das ist kein Meilenstein, das ist ein Stolperstein! Herr Bundeskanzler! Wenn Sie sagen, man müsse etwas gegen die Unterväterung tun, weil zu wenig Väter in den Familien sind, dann stimme ich Ihnen sehr wohl zu. Aber ich betone: Dieses Ziel werden Sie mit diesem Modell keineswegs erreichen! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben auch gesagt, der Mensch solle im Zentrum stehen, Mütter, Kinder und Väter seien gleichwertig. – Das klingt ja alles sehr gut. Sie haben uns aber nicht gesagt, welchen Familienbegriff Sie genau meinen. Das haben Sie nie erklärt, und auch die anderen Rednerinnen und Redner nicht. Ich muss daher annehmen, dass Sie hier einen sehr altmodischen Familienbegriff meinen, einen, der auf die Realität in Österreich heute nicht mehr zutrifft, und zwar die klassische Kleinfamilie: Vater, Mutter, ein Kind, zwei oder auch mehrere Kinder, und bitte verheiratet, wenn es geht.

Das ist ein Familienmodell aus den fünfziger Jahren! (Abg. Dr. Trinkl: Das hat sich Tausende Jahre bewährt! So ist es nicht! – Abg. Schwarzenberger: Das ist noch immer die Regel!) Das trifft heute für die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr das ganze Leben lang zu! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie müssen einmal anerkennen, dass Familie heute viel mehr heißt. Unter Familie versteht man sowohl die Kleinfamilie – diese gibt es, das ist schon klar, aber nicht mehrheitlich – als auch andere familiäre Gruppen. Mit einem bestimmten Begriff von Familie ist zum Beispiel gemeint, dass mehrere Generationen zusammenleben. Familie, das können aber auch Alleinerziehende mit Kindern sein, das können Großeltern mit Kindern sein, das können auch die so genannten Patchwork-Familien sein. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, und nicht nur die eine, die Ihnen in dem Modell, das Sie uns hier präsentieren, wohl vorschwebt.


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