Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 144

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Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Pflichtversicherung beizubehalten, damit auch in Zukunft alle – unabhängig von ihrem Einkommen – auf die Gesundheits- und Pensionsversorgung vertrauen können.

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Nunmehr würde ich ganz gerne den Aufforderungen des Abgeordneten Miedl nachkommen und mich auf die Spuren "intellektueller Meisterleistungen" begeben, die er in der Argumentation um die Urabstimmung des ÖGB eingefordert hat. Ich möchte auch die Leistung des Herrn Staatssekretärs hinterfragen, nämlich warum er den "Wir"-Begriff benutzt und was er unter "wir" versteht, wenn er sein Bekenntnis zur Pflichtversicherung eindeutig dokumentiert. Da sich die ÖVP ja nicht in einer Alleinregierung befindet, müssen Sie unter "wir" entweder sich selbst allein verstehen – das mute ich Ihnen nicht zu – oder aber die Bundesregierung.

Dazu zitiere ich jetzt aus den "Ideen 2000", dem freiheitlichen Programm für Österreichs Zukunft. Darin steht geschrieben: OTS-Meldung vom 15. Jänner 2000:

"Ein Übergang zur Versicherungspflicht führt zu mehr Wettbewerb und zieht eine massive Kostenreduktion nach sich."

Wo ist dieses "wir", frage ich Sie? Wo ist die Erklärung dafür, dass in einem Satz etwas Wahres gesagt wird – natürlich, da ist mehr Wettbewerb –, aber gleichzeitig auch etwas Unwahres? – Von einer "massiven Kostenreduktion" kann nämlich auch bei explizitester wissenschaftlicher Analyse nicht die Rede sein. (Beifall bei den Grünen.)

Die Gesundheitskosten gemessen am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland und in der Schweiz, die mit solchen Systemen leben, liegen sage und schreibe 2 Prozentpunkte unter jenen Österreichs. Die Krankenkassenbeiträge in Deutschland liegen zwischen 10,5 und 15 Prozent, bei uns zwischen 6,5 und 9,1 Prozent. Wo ist da die "massive Kostenreduktion"? Wo ist die intellektuelle Redlichkeit oder Pfiffigkeit? Oder ganz schlicht: Wo ist die Datenanalyse? – Dazu haben Sie jetzt eine Expertenkommission gebraucht, die einen Zwischenbericht vorgelegt hat, dessen Eindeutigkeit ohne jeden Zweifel ist.

Sollte nun – was nicht auszuschließen ist, aber es wäre eigenartig – im Endbericht etwas anderes herauskommen, dann frage ich mich, wieviel Intellekt es dann brauchen wird, um diese Diskrepanzen erläutern und erklären zu können. (Beifall bei den Grünen.)

Vielleicht steht das damit im Zusammenhang, dass Schüssel immer wieder betont: Fürchtet euch nicht! Wenn er sagt, fürchtet euch nicht, dann nehme ich an, er wird einen Grund haben, das zu sagen. Wenn er das immer wieder betont, wird er auch darüber nachgedacht haben, warum er das sagt. Und das erlaubt Sorge – auch wenn wir uns nicht fürchten sollten, weil wir uns auch wehren können. Dabei könnte uns – das sage ich jetzt einmal optimistisch – der ÖGB wesentlich helfen. – Über den ÖGB möchte ich dann noch einige Worte sagen.

Nun noch zum Thema Pflichtversicherung: Es ist klar, dass man die Regeln des Marktes in gewissen Grenzen, vor allem der sozialen Marktwirtschaft, zu einem großen Teil natürlich respektieren wird müssen – darin unterscheidet sich unsere Partei nicht zentral von anderen. Aber man muss schon insofern differenzieren, als die Regeln des Marktes und des Wettbewerbs im Gesundheitssystem irgendwo auf Grenzen stoßen, weil Gesundheitssysteme im Wesentlichen nicht gewinnorientiert arbeiten können. Das ist auch klar.

Sie zitieren auch immer wieder – das mag ein weiterer Grund des Fürchtens sein – den Begriff "Flexibilität". Ich glaube, Flexibilität brauchen wir alle: alle Parteien, die Bundesregierung, die Gesundheitspolitik, der Hauptverband, die Kassen, die Universitäten. Dagegen ist nichts zu sagen. Wenn sich aber Flexibilität in der Bundesregierung vorwiegend auf das konzentriert, was sich Charakter nennt, dann wird es bedenklich. Flexible Charaktere, flexible Meinungen,


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