Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 84

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zunimmt. Aber auch wenn Sie das technische Kriterium heranziehen, nämlich dass in zwei Quartalen hintereinander das Sozialprodukt sinkt, wird klar, dass wir uns derzeit in einer Rezessionsphase befinden.

Das ist ja nicht meine Erfindung, diese Daten sind vom Wifo beziehungsweise von Herrn Kramer in dieser Woche gekommen. (Abg. Dr. Khol: Das ist aber nicht wahr! Das ist eine Prognose!) Der Internationale Währungsfonds warnt schon einige Zeit davor, weltweit, nicht nur in Österreich. (Abg. Dr. Khol: Wifo ist eine Prognose!) – Das ist eine Prognose, aber für das vierte Quartal 2001, in dem wir uns bekanntlich bereits befinden (Abg. Dr. Khol: Aber das ist Prognose!), und für das erste Quartal 2002, in dem wir uns demnächst befinden werden. Die EU-Kommission weist im Übrigen zumindest für das vierte Quartal 2001 ebenfalls Minuswerte für Österreich aus. Das ist eine Übereinstimmung. (Abg. Dr. Khol: Das ist Prognose!)

Aber, Herr Kollege Khol, ich verstehe das überhaupt nicht (Abg. Dr. Khol: Weil Sie gesagt haben: "Wir befinden uns"!): Seit wann ist es Grundlage einer vernünftigen Politik, die Realität nicht zur Kenntnis zu nehmen? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Mir liegt es vollkommen fern, so wie Herr Kollege Stummvoll insinuiert hat, die österreichische Wirtschaft oder die Arbeitsmarktlage krankzureden, aber die Fakten muss man doch zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Khol! (Abg. Dr. Khol: Das ist noch kein Faktum!)

Ich habe mir so wie Herr Edlinger die Zeitungsausschnitte dieser Woche mitgenommen. Egal, ob Sie die "Presse" lesen, was ich annehme, oder den "Standard", wo ich nicht so sicher bin, oder die "Neue Zürcher Zeitung", die Sie sicher lesen: Sie finden überall die gleichen Berichte entweder über die Wifo-Prognosen oder über die OECD-Prognosen oder über die Prognosen der EU-Kommission, die rein zufällig oder auch nicht, aber jedenfalls alle seit Dienstag dieser Woche veröffentlicht wurden. (Abg. Böhacker: Weil jeder vom anderen abschreibt!) – Nein, nein, Herr Kollege, es gibt dieses Phänomen, dass einer vom anderen abschreibt, das ist nicht zu leugnen, aber das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut, die OECD in Paris, die EU-Kommission in Brüssel und der Internationale Währungsfonds in Washington schreiben nicht voneinander ab. (Abg. Dr. Khol: Alle die gleichen Ziffern!) Sie haben auch nicht die gleichen Ziffern, nebenbei gesagt, Herr Khol (Abg. Böhacker: Annähernd!), aber annähernd, im Trend stimmen sie absolut überein. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist ja nicht diese Woche allein. Sie können auch nicht sagen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien oder Herr Finanzminister: Ja, diese Woche, was ist schon diese Woche? Ich habe mir den "Economist" vom 25. August mitgenommen. (Der Redner zeigt eine Ausgabe des "Economist".) Ist da inzwischen nicht Zeit genug vergangen, das zur Kenntnis zu nehmen? Was war die Schlagzeile damals? "2001 – things to do in a recession". Leicht karikierend wird darauf verwiesen, was man als erstes in einer Rezession tun soll: "1. Get a parachute!", einen Fallschirm besorgen. – Damit werden wir natürlich nicht auskommen, sondern die Frage ist: Ist das alles, was uns in Bezug auf die Budgetpolitik einfällt?

Das ist – auch darauf wurde schon hingewiesen – nicht ein österreichisches Phänomen, das ist auch kein reines EU-Phänomen, sondern das besonders Unangenehme dieser Rezession ist, dass sie weltweit praktisch synchron verläuft: in den USA, in Deutschland, in Frankreich, im gesamten EU-Raum und im ostasiatischen Raum.

Herr Finanzminister! Ich verstehe das nicht: Warum leugnen Sie diese Situation? Was haben Sie davon? Warum hängen Sie in dieser Situation so an diesem Saldenfetischismus, an dem Nulldefizit-Fetischismus? Es sagt ja kein Mensch, dass Sie allein oder auch nur zum größten Teil an dieser Situation schuld sind. Sie sind sicherlich nicht, zumindest nicht allein, schuld am Drehen dieser Konjunkturlage. Was können Sie dafür, wenn in den USA, in Deutschland und in Japan eine Rezession ausbricht und der 11. September dem noch eins draufsetzt, die Situation noch deutlich verschärft? Was können Sie dafür? – Gar nichts! (Abg. Mag. Schweitzer  – auf Abg. Dr. Martin Graf zeigend, der den Eindruck vermittelt, als würde er schlafen –: Van der Bellen wirkt!) Der Herr Kollege wird bei einem anderen Tagesordnungspunkt schon wieder aufwachen. (Heiterkeit.)


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