Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 103

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Aussage – und, Herr Minister, Sie haben das heute eigentlich wieder bestätigt –: Ich kann keine Rezession erkennen.

Wenn es nämlich wirklich stimmt, dass Sie, Herr Minister Grasser, eine Rezession nicht erkennen können, wenn sie vor der Tür steht (Abg. Mag. Mühlbachler: Er hat aber Maßnahmen genannt! Wieso geben Sie die nicht wieder?), wenn Ihnen nicht bewusst ist, dass praktisch alle großen Wirtschaftsräume auf der Welt gemeinsam in eine Rezession rutschen und dass das sehr, sehr gravierende Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft haben muss, wenn Sie nicht erkennen, dass sich die relevanten Wirtschaftsdaten in Österreich dramatisch verschlechtern – und zwar stärker als im EU-Trend, und das, meine Damen und Herren, deutet klar darauf hin, dass zumindest ein Teil dieser Wirtschaftskrise auch hausgemacht ist –, und wenn Sie nicht sehen, dass es bei der Arbeitslosigkeit seit Anfang des Jahres eine Trendumkehr gibt – seit Anfang des Jahres haben wir wieder eine steigende Arbeitslosigkeit (die Abgeordneten Freund und Großruck: Und steigende Beschäftigung!), und im Oktober, nur zu Ihrer Information, weil das anscheinend an Ihnen vorbeigegangen ist, ist die Arbeitslosenrate im Vergleich zum Vorjahr um 14,5 Prozent gestiegen –, wenn Sie das alles nicht erkennen können, Herr Minister, dann haben Sie als Finanzminister in Wirklichkeit längst abgedankt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Dann werden Sie Finanzministerin, okay?)

Wirtschaftsprognosen, meine Damen und Herren, haben den Zweck, Entwicklungen, die nicht alle Leute von selbst erkennen können, im Voraus anzuzeigen. Wenn Sie also wirklich – vermutlich als einziger Finanzminister auf der ganzen weiten Welt – eine drohende Rezession nicht erkennen können, Herr Minister, dann muss man aber wohl trotzdem von Ihnen erwarten können, dass Sie auf professionell erstellte Wirtschaftsprognosen auch wirklich professionell reagieren und nicht pubertäre Realitätsverweigerung betreiben. Genau das war nämlich Ihre Reaktion! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mühlbachler: Bitte, das ist aber wirklich arg, was Sie treiben!) – Es tut mir Leid, aber anders kann ich das wirklich nicht mehr bezeichnen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Auf das, was Sie da sagen, sollte man gar nicht eingehen!) 

Es geht nicht darum, die Wirtschaft krankzureden, meine Damen und Herren (Abg. Mag. Mühlbachler: Wenn Sie bei einer Wahl 1 Prozent dazugewinnen, ist das dann eine Rezession?), sondern es geht darum, die Realität zu erkennen und darauf dann auch entsprechend reagieren zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist heute schon angesprochen worden: Die erzkonservative Bush-Regierung in den Vereinigten Staaten zeigt uns derzeit, was es heißt, eine pragmatische Wirtschaftspolitik zu betreiben: staatliche Konjunkturbelebung in bester keynesianischer Tradition statt neoliberaler Träumereien von der Allmacht des Marktes. – Das ist die Wirtschaftspolitik, die uns die USA (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen) derzeit vorführen, das ist die Wirtschaftspolitik, die die USA in einer Konjunkturkrise betreiben. Dieses eine Mal würden wir uns wirklich wünschen, dass Sie sich an der amerikanischen Politik ein Beispiel nehmen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das Deficit-spending hat uns ja in die Situation gebracht, in der wir jetzt sind!)

Ich möchte zum Abschluss noch einmal etwas klarstellen, was immer wieder falsch dargestellt wird – ich weiß, dass das nichts nützt, aber ich versuche es trotzdem noch einmal –: Die Budgetkonsolidierung der früheren Bundesregierung hat 1996 begonnen. Die frühere Regierung hat dabei innerhalb von drei Jahren das Defizit um 3 Prozent abbauen können, von 5 Prozent im Jahre 1996 auf 2,1 Prozent im Jahre 1999. (Abg. Mag. Mühlbachler: Sagen Sie einmal absolute Zahlen! Tun Sie nicht alles beschönigen! Beschönigen Sie nicht!)

Das heißt, die Behauptungen, die immer wieder – auch von Herrn Minister Grasser – getätigt werden, dass bei Fortsetzung der Großen Koalition ein Defizit von 4 Prozent produziert worden wäre, sind einfach falsch und polemisch. (Ruf bei den Freiheitlichen: Gar nicht!) Das würde nämlich voraussetzen, dass keine Politik gemacht worden wäre. Tatsächlich hat aber die letzte Bundesregierung – vielleicht kann sich der eine oder andere aus der ÖVP auch noch daran erinnern (Abg. Mag. Mühlbachler: Ja!)  – im Stabilitätspakt 1999 festgelegt, dass das Defizit auf


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