Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 193

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Eltern wissen das, und weil Eltern das wissen, wählen sie die Chance der höheren Bildung und bemühen sich, ihre Kinder im Einvernehmen mit den VolksschullehrerInnen in der AHS-Unterstufe unterzubringen. (Abg. Mag. Schweitzer: Wie ist die höhere Bildung möglich?) Ich frage mich: Warum wird den Eltern dieses Angebot weggenommen? Das hat mit der Qualität der Hauptschulen, die Sie immer ansprechen – und das bestätige ich –, überhaupt nichts zu tun!

Frau Bundesminister! Es gibt bislang kein Verfahren, weder ein standardisiertes noch ein informelles, mit dem es möglich wäre, für zehnjährige Kinder eine seriöse Prognose ihrer bildungsspezifischen Weiterentwicklung zu stellen. Ich habe mich in Europa umfassend erkundigt. Ich kenne keinen modernen Wirtschaftsstaat, der derartige Verfahren einsetzt, denn Erziehungswissenschafter haben längst erkannt, dass es sinnlos und falsch ist, Jugendliche ab dem zehnten Lebensjahr in zwei anscheinend unterschiedliche Gruppen aufzuteilen, in bessere und weniger gute. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch sind Sie uns bis heute eine Antwort schuldig geblieben: Ich habe Sie schon im Unterrichtsausschuss gefragt, was Sie denn mit diesen Prognoseverfahren wirklich vorhersagen wollen. Vielleicht ist es heute möglich, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen! Wollen Sie, dass mit den Prognosen sichergestellt wird, dass die Schülerinnen und Schüler die erste beziehungsweise die zweite, dritte und vierte Klasse der AHS-Unterstufe bewältigen, oder wollen Sie, dass sie die allgemeine Schulpflicht mit der fünften AHS-Stufe bewältigen, oder wollen Sie vorhersagen können, dass eine Matura in der AHS oder in der BHS geschafft werden wird? – All das geht nicht!

Ich glaube, dass auch die Eltern und die Schüler all das nicht brauchen. Was wir brauchen, ist die erforderliche Anzahl von Schulplätzen, eine hohe qualitative schulische Ausbildung, ein hohes qualitatives Angebot und bei Bedarf die richtige Förderung. Nur so wird es möglich sein, einer möglichst hohen Anzahl von Schülerinnen und Schülern einen positiven Abschluss der Sekundarstufe II zu ermöglichen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

20.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

20.26

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Antoni, es geht bei diesem Thema nicht um Selektion in dem Sinne, wie Sie es darzustellen versuchen und wie es heute zum Teil auch schon bei der Dringlichen angesprochen worden ist.

Es geht keinesfalls um soziale Selektion, sondern es geht um die Frage einer gewissen Leistungsorientierung auch im Bildungssystem. Wir haben im Ausschuss, wie ich meine, eine sehr sachliche Debatte darüber geführt. Es ist nicht zu leugnen, dass wir in den städtischen Ballungszentren gravierende Probleme mit der Struktur der Hauptschulen und der allgemein bildenden höheren Schulen haben. Sie wissen, dass etwa in Städten wie Wien und Graz in den Hauptschulen keine ersten Leistungsgruppen mehr geführt werden und damit die Hauptschule in diesen städtischen Ballungszentren in der Tat zu einer Sackgasse wird. Ich war immer einer, der sich für die Durchlässigkeit im Bildungssystem ausgesprochen hat, habe ich doch selbst auch davon profitiert. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass diese Durchlässigkeit im Bildungssystem erhalten bleiben muss! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eine Schätzung besagt, dass 52 Prozent der Maturantinnen und Maturanten über die Hauptschule kommen und die Matura machen, und das zeigt eigentlich sehr deutlich, dass dort, wo die Hauptschule funktioniert und wo wir gute beziehungsweise auch qualitativ sehr gute Hauptschulen haben – nämlich vor allem im ländlichen Raum –, diese Ausbildung alles andere als eine Sackgasse ist. Dort hingegen, wo es in den Hauptschulen nur noch zweite Leistungsgruppen gibt, weil erste Leistungsgruppen nicht mehr geführt werden, wird die Hauptschule tatsächlich zu einer Sackgasse. Darum ist es ganz einfach notwendig, darüber zu reden, ob das vielfach vorherrschende Prestigedenken nicht falsch ist, dass das Kind sozusagen um jeden


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