Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 204

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Sie selbst gesagt haben: Jeder kann eben nicht in jene Schule gehen, die er sich ausgesucht hat, weil es nicht genug Plätze gibt.

Ich verstehe dieses Prognoseverfahren wirklich nicht – es sei denn, es will etwas anderes, als es zu wollen vorgibt. Es richtet sich nämlich bewusst schlichtweg gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis. Was sagen die Experten dazu, sehr geehrte Damen und Herren? – Der renommierte Kinderpsychiater Max Friedrich spricht von Nonsens. Wissen Sie, was das übersetzt heißt? Es macht keinen Sinn, es ist einfach schlichtweg ein Blödsinn. Er sagt weiters, dass es so etwas nicht gebe, und er spricht sich für den Nobelpreis für den Erfinder oder die Erfinderin eines solchen Verfahrens aus.

Ich bin mir aber nicht ganz sicher, wem wir hier diesen Nobelpreis verleihen könnten, denn es ist nicht ganz klar, wer wen treibt. Ich denke, die Angstmacherei, das beliebte Mittel der FPÖ, soll jetzt auch bei Zehnjährigen und deren Eltern eingesetzt werden. Oder vielleicht ist es doch das erzkonservative Elitedenken der ÖVP, das hier zum Tragen kommt? (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Für ein Kind und seine soziale Entwicklung ist eine Prüfung, ein Auswahlverfahren oder ein Prognoseverfahren – oder wie immer Sie dieses Ding nennen – eine Katastrophe, meint Professor Friedrich. Das hat sich gezeigt und ist mehr als belegt in groß angelegten Bildungsforschungsprojekten in Schweden, in England und in Deutschland: Je früher eine schulische Auslese erfolgt, desto stärker ist sie sozial verzerrt, das heißt, sie ist schlecht für so genannte Unterschichtkinder, für Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, beziehungsweise sie begünstigt eben die andere Seite. Und es lässt sich im zarten Alter von neun beziehungsweise zehn Jahren nicht, wirklich überhaupt nicht voraussagen, ob eine AHS-Reife oder Maturaeignung oder was auch immer gegeben oder möglich ist. Es geht hier um soziale Ausgrenzung, vertuscht als Lenkung von Schülerströmen und dergleichen.

Meine Damen und Herren! Es könnte ganz anders sein. Es könnte nämlich eine Freude sein, es könnte als Erfolg angesehen werden, wenn sich mehr Kinder für eine höhere Ausbildung interessieren, und man könnte die Hauptschulen den AHS annähern, man könnte ihnen Schwerpunkte ermöglichen, man könnte ihnen Spezialisierungen ermöglichen und sie nicht aushungern. Dann würde man auch nicht von Versagen sprechen, sondern man würde vielleicht von Lernfeldern sprechen, ohne die Kinder dabei auszugrenzen. Statt auszugrenzen und zu strafen und abzuurteilen könnte man auch integrieren und unterstützen.

Es gibt eben unterschiedliche Weltbilder und ebenso unterschiedliche Haltungen den Menschen gegenüber. Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Ihr Weltbild hat nichts mit "entwickeln lassen" zu tun, sondern hat in der schlimmsten Bedeutung des Wortes etwas mit "Er-Ziehung" zu tun, das heißt am besten an den Ohren irgendwo hinziehen. Das ist sehr traurig, und ich kann nur sagen: Eltern auf die Barrikaden bei so viel Nonsens! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

21.14

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Emotionen sind in diesem Haus heute schon ziemlich hoch gegangen, wenn ich an unsere Dringliche Anfrage denke.

Ich meine, um das hier noch einmal festzuhalten: Faktum ist, dass das Bildungs-Volksbegehren bei weitem ein Flop war, obwohl es von der linken Opposition einen massiven Einsatz gegeben hat. (Abg. Verzetnitsch: Wie die ORF-Abstimmung!) Meines Erachtens hat dieses Bildungs-Volksbegehren wieder einmal gezeigt, dass die Menschen nicht dumm sind, so wie Sie es eben gerne hätten, sondern dass die Menschen sehr wohl erkannt haben, dass wir gute Lehrer


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