Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 87. Sitzung / Seite 198

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Dass es letztlich zu keiner Einigung gekommen ist, das hat mich doch überrascht, denn im Unterausschuss hat man lange Zeit durchaus den Eindruck gewinnen können, dass es ein hohes Maß an sachlicher Übereinstimmung gibt. Die Anregungen der sozialdemokratischen Abgeordneten sind aufgenommen und berücksichtigt worden. Wer ihnen schließlich sozusagen den Rückzugsbefehl gegeben hat, darüber hat Kollege Jung bereits spekuliert. Ganz offensichtlich hat sich bei Ihnen die alte sozialistische Denkrichtung und nicht "New Labour" durchgesetzt.

Es ist das gute Recht der Opposition, zu sagen: Das alles reicht uns nicht, wir wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen und so tun, als habe sich seit 1955, seit dem Staatsvertrag und dem Neutralitätsgesetz nichts mehr geändert! Wie glaubwürdig eine solche Argumentation ist, das, meine Damen und Herren, ist allerdings eine andere Sache, denn dass sich die Neutralität wesentlich geändert hat, ist nicht erst seit den Petersberg-Aufgaben allen klar. Aber das muss die österreichische Sozialdemokratie, die als staatstragende Partei meiner Ansicht nach abgetreten ist, ihren Freunden in der Sozialistischen Internationale wohl erst einmal erklären.

Die Regierungsparteien können es sich nicht so einfach machen. Nach dem Ende des so genannten Ostblocks und den Umwälzungen der vergangenen Jahre, vor allem des vergangenen Jahrzehnts, war es hoch an der Zeit, den neuen welt- und europapolitischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Das vorliegende Konzept stellt ganz auf diese geänderte Lage ab, es ist umfassend und aktuell konzipiert. Es geht nicht mehr ausschließlich von militärischen Szenarien, etwa dem Fall der klassischen Landesverteidigung, aus, sondern es berücksichtigt ganz konkret auch die neuen Bedrohungsformen, die offensichtlich einigen Abgeordneten in diesem Haus entgangen sind, nämlich die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, die in diesem Konzept sehr wohl enthalten ist, oder auch die Frage des internationalen Terrorismus, die organisierte Kriminalität, Frau Kollegin, die Ihnen entgangen zu sein scheint, die destabilisierenden Rüstungsentwicklungen und viele andere Entwicklungen mehr. (Abg. Dr. Lichtenberger: Nur einem sind sie nicht entgangen!)

Wir Freiheitlichen stehen deshalb zu dieser neuen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin. Wir wollen nicht erst – wie das die Sozialdemokraten immer ansprechen – auf eine künftige vergemeinschaftete EU-Politik warten! Der Herr Bundesminister hat bereits sehr deutlich ausgeführt, wann und wo österreichische Soldaten eingesetzt werden, und das muss auch weiterhin die Entscheidung der österreichischen Instanzen bleiben.

Abschließend noch einige kurze Bemerkungen zu dem Scheinargument der Opposition, sie könnte dieser Doktrin aus Neutralitätsgründen oder deshalb, weil diese direkt in die NATO führe, nicht zustimmen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. ) Die Koalition stellt nüchtern die heutige Realität fest. Das ist Ihnen schon von mehreren Rednern erklärt worden, Frau Kollegin: Österreich ist derzeit ein allianzfreier Partner in der EU. Sie hätten nur auf Seite 10 Punkt 14 betreffend außenpolitische Aspekte der Sicherheitspolitik nachlesen müssen. Dort heißt es im Konjunktiv – also in der Möglichkeitsform –, dass ein Beitritt zur NATO nur mit Zustimmung der Bevölkerung nach einer Volksabstimmung erfolgen würde. Das ist wohl eindeutig! Ich hoffe, dass das jeder versteht, der lesen kann! Ich meine, dass nur jemand, der das absichtlich missverstehen will, aus taktischen Gründen zu anderen Überlegungen kommen kann. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

20.12

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Beschluss der Sicherheitsdoktrin von ÖVP und FPÖ titelten die "Oberösterreichischen Nachrichten" – ich habe die Zeitung mitgenommen – "Aus ‚neutral’ wird ‚allianzfrei’". – Es lässt einen schon aufhorchen, wenn Außenstehende über die Sicherheitsdoktrin schreiben, dass die Regierung das Wort "Neutralität" vermeidet und es in Richtung "Allianzfreiheit" umschreibt! Dazu sage ich jetzt: Das ist ein Davonschleichen aus der Neutralität! (Abg. Jung: Den ersten Schritt hat ein sozialdemokratischer Kanzler gemacht!) Das


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite