Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 89. Sitzung / Seite 108

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Den größten Nutzen aus all diesen Gesetzesmaterien haben die Konsumenten. Mit diesen Gesetzesmaterien können wir das gesundheitspolitische Jahr wirklich in großer Zufriedenheit abschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

20.56

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Medikamenten bei Kindern haben Redner vor mir bereits darauf hingewiesen, dass 80 Prozent der Arzneimittel, die in der Kinderheilkunde eingesetzt werden, für diesen Indikationsbereich nicht zugelassen sind und für etwa 40 Prozent der in Deutschland in der Kinderheilkunde verordneten Medikamente laut Herstellerangaben ein prinzipielles Anwendungsverbot in diesem Bereich besteht. Das wird in Österreich nicht wesentlich anders sein.

Die Kinderärzte müssen jedoch solche "Erwachsenenmedikamente" zur Therapie einsetzen, wenn ein Heilungsversuch mit ihnen Erfolg verspricht. In diesen Fällen bewegen sich die Kinderärzte außerhalb des haftungsrechtlichen Schutzes des Arzneimittelgesetzes. Für Heilversuche mit "Erwachsenenmedikamenten" benötigen die Pädiater die spezielle Einwilligung der Eltern und – soweit möglich – die der Kinder selbst.

Von der therapeutisch wirksamen Dosis eines Arzneimittels, das zur Behandlung einer Erkrankung bei Erwachsenen angewendet wird, kann nicht ohne weiteres eine für den kindlichen oder jugendlichen Organismus wirksame Dosis abgeleitet werden. Kinder und Jugendliche können nicht als kleine Erwachsene angesehen und therapiert werden.

Wegen des Fehlens systematisch erhobener wissenschaftlicher Daten verharrt die Arzneimitteltherapie bei Kindern und Jugendlichen auf der Stufe der Empirie, wenn "Erwachsenenmedikamente" eingesetzt werden. Die medikamentöse Behandlung von Kindern und Jugendlichen weist demnach nicht den Qualitätsstandard auf, der bei Erwachsenen erreicht wird.

Der Einsatz von "Erwachsenenmedikamenten" in der Pädiatrie geht mit einem höheren Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen einher. Das Ergebnis einer englischen Untersuchung zeigt, dass die Nebenwirkungen beim Einsatz von für Kinder nicht geprüften Medikamenten doppelt so hoch sind. Häufig kam es zu Hautausschlägen, Schwindel, Erbrechen, Durchfall und Halluzinationen. In schweren Fällen waren Atemhemmung, Blutdruckabfall und Leberversagen die Folge. Diese Situation kann sich zudem dadurch weiter verschärfen, dass in der Kinderheilkunde gut bewährte Präparate wegen fehlender wirtschaftlicher Interessen der pharmazeutischen Unternehmen nicht mehr in die Nachzulassung gebracht werden.

Da Kinder dieselben Rechte auf eine adäquate, effiziente und sichere Pharmakotherapie wie Erwachsene haben, hat die SPÖ die in Verhandlung stehenden Anträge eingebracht. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Und wie reagieren die Regierungsparteien? – Sie lehnen aus reiner Parteitaktik die Anträge ab.

Dass wir mit unseren Anträgen richtig liegen, beweist einerseits, dass sie von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde unterstützt werden, und andererseits, dass die Regierungsparteien einen eigenen, völlig harmlosen und de facto nichtssagenden Entschließungsantrag beschlossen haben. (Abg. Mag. Schweitzer: Danke, Herr Bürgermeister!) Einen unverbindlichen, zahnlosen und folgenlosen Antrag, der das Spielfeld auf die europäische Ebene verlagert. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Offensichtlich sind die Regierungsfraktionen nicht der Meinung, dass auch Kinder dasselbe Recht auf eine gesicherte Pharmakotherapie wie die Erwachsenen haben.

Das ist ein seltsames Verhalten, Herr Kollege Schweitzer, für Parteien, die sich gerne als kinderfreundliche Parteien präsentieren. – Danke, Jörg!, danke, Wolfgang! (Beifall bei der SPÖ.)

21.00


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