Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner:
Vorweg möchte ich klarstellen, dass die in den Medien wiedergegebene Aussage von Kommissar Fischler, wonach in den Verhandlungen mit der EU-Kommission über eine Transit-Nachfolgeregelung wir, also Österreich selbst, den Entfall der 108-Prozent-Regelung vorgeschlagen hätten, unrichtig ist. Ich habe Kommissar Fischler nicht im Originalton gehört. Das heißt, ich weiß nicht, ob er in den Medien richtig zitiert worden ist. Jedenfalls war er aber bei den Gesprächen, die ich und die anderen Mitglieder der Bundesregierung mit Verkehrskommissarin de Palacio und mit Erweiterungskommissar Verheugen geführt haben, nicht anwesend.Grundsätzlich stelle ich fest, dass es nicht an Österreich, sondern an der Kommission gelegen ist, die Vorschläge zu unterbreiten. Wir haben mit der Kommission Gespräche geführt mit dem Ziel, für die Interessen Österreichs bestmöglich einzutreten und natürlich ein Lobbying zu betreiben. Es wäre geradezu absurd und würde jeder Logik widersprechen, ohne jegliche Veranlassung – so wie es dargestellt wird – der Streichung der 108-Prozent-Regelung zuzustimmen.
Wie Sie wissen, hat die Kommission ja seit über einem Jahr versucht, die Streichung der 108-Prozent-Regelung beim bestehenden Transitprotokoll durchzusetzen. Ein diesbezüglicher Verordnungsvorschlag der Kommission ist am 5. September 2001 ohne Abänderungsanträge mit 303 : 253 Stimmen im Europäischen Parlament auch gebilligt worden.
Bisher, glaube ich, ist es der österreichischen Regierung mit Erfolg gelungen, dass dieser Verordnungsvorschlag bei den Verkehrsräten nicht zur Abstimmung gelangt ist. Natürlich aber haben die Vertreter der Kommission, mit denen Gespräche in dieser Frage geführt wurden, die Streichung der 108-Prozent-Regelung bei ihren Forderungen immer ganz oben gereiht. Andere Forderungen waren auch die Eingrenzung einer Übergangsregelung und nicht notwendigerweise eines Ökopunkte-Regimes auf wenige Alpenkorridore oder auch eine Begrenzung auf ein Jahr.
Dass die Kommission vehement gegen die 108-Prozent-Regelung kämpft, zeigen natürlich auch die beiden vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren gegen die Anwendung der 108-Prozent-Regelung vor allem in den Jahren 1999, 2000 und 2001.
Im Übrigen ist das auch ein eindeutiger Hinweis für die konsequente Haltung der gesamten Bundesregierung in dieser, wie ich glaube, für Österreich so wichtigen Frage. Beide Forderungen haben die betroffenen Mitglieder der Bundesregierung – Bundeskanzler, Vizekanzlerin, Verkehrsministerin und auch ich – abwehren können.
Der Verordnungsvorschlag umfasst jetzt das ganze Bundesgebiet und ist auf drei Jahre hin befristet. Dass uns ein Erfolg in der 108-Prozent-Regelung versagt geblieben ist, entspricht leider der Stimmung in Europa, wie eben die erwähnte Abstimmung auch im Europäischen Parlament, aber auch die Position der Mitgliedstaaten zeigen. Das ist aber meines Erachtens kein Grund für eine Katastrophenstimmung, denn auch die Ökopunkte für sich allein bewirken durch die Kontingentierung der Fahrtenbegrenzung doch eine Reduzierung.
Leider hat sich diese Art der Fahrtenbegrenzung in all den Jahren, selbst als die 108 Prozent überschritten wurden, als die einzig wirksame Limitierung des Straßengüterverkehrs durch Österreich erwiesen. In den beiden vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren geht es nämlich, wie erwähnt, um die Nicht- Anwendung der 108-Prozent-Regelung durch die Kommission; das möchte ich dazu sagen.
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Es tauchen jetzt ja offensichtlich wirklich zwei unterschiedliche Behauptungen auf, nämlich die von Herrn Kommissar Fischler und Ihre, Frau Ministerin. Wie werden Sie diese wieder auf eine einheitliche Haltung zurückführen können, zumal hier eine von beiden Seiten die Unwahrheit sagen muss?
Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.