Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 98. Sitzung / Seite 175

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glaube, da sind wir besonders gefordert, tätig zu werden, um für die Zukunft derlei Gräuel zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir alle wissen, meine Damen und Herren, dass Fehlurteile auch in anderen Ländern zu Todesurteilen, zu Vollstreckungen geführt haben – und man hatte dann im Nachhinein nicht mehr den Mut, es zuzugeben. Es sind natürlich auch alle anderen Staaten, in denen es noch die Todesstrafe gibt, aufgerufen, in sich zu gehen und diese unselige Art der Bestrafung endlich zu beseitigen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

19.58

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Viel Redezeit ist mir nicht mehr verblieben, daher nur ein paar kurze Bemerkungen. Es wurde auch schon die Problematik der Sudetendeutschen angesprochen, die im Rahmen einer Petition behandelt worden ist. Die Sudetendeutschen sind ja Vertreibungsopfer schlechthin. In diesem Zusammenhang, Frau Bundesministerin, verweise ich auf ein Interview mit dem Botschafter Tschechiens in Österreich, Jiri Gruša, das im "Kurier" von heute veröffentlicht wurde.

Für seine Worte bin ich dem Botschafter Tschechiens in Wirklichkeit in zweifacher Hinsicht dankbar, wobei das Wort "dankbar" unter Anführungszeichen zu setzen ist: erstens deswegen, weil Botschafter Gruša in diesem Interview unumwunden zugibt, dass es in Bezug auf Enteignungsdekrete in Verfahren in der Tschechischen Republik nach wie vor eine Judikatur gibt, also dass in dieser Hinsicht judiziert wird. Er sagt wörtlich: "Es gibt Verfahren in der ersten Instanz."

Botschafter Gruša, ein namhafter Repräsentant der Tschechischen Republik, gibt mit diesen Worten einer österreichischen Tageszeitung gegenüber zu, dass die Beneš-Dekrete nicht totes Unrecht sind, wie ja immer wieder behauptet wird. Damit erweist sich der Standpunkt, den die Freiheitliche Partei in dieser Frage immer eingenommen hat, als wahr. Daher muss man auch dies zum Anlass nehmen, die Position, die die Bundesregierung in dieser Hinsicht einnimmt, zu adaptieren. – Das nur zur Information.

Es wird in diesem Interview mit einem "Wissen" in einer Art und Weise aufgewartet, die eines Botschafters unwürdig ist. Botschafter Gruša besitzt offensichtlich kein Völkerrechtsverständnis und verfügt auch über keine Grundkenntnisse im Völkerrecht, wenn er auf die Frage, ob es sich um Eigentumsansprüche beziehungsweise Enteignung von Privatvermögen handelt, folgende Antwort gibt – ich zitiere den wesentlichen Kernsatz –:

"Wenn Sie einen Krieg führen und bedingungslos kapitulieren, sind Ihre" – damit sind die Sudetendeutschen gemeint – "Ansprüche dahin." – Das heißt, sie sind sie mehr oder weniger los.

Frau Bundesminister! Es gibt unendlich viel völkerrechtliche Literatur. So gibt es zum Beispiel die Haager Landkriegsordnung, in deren Artikel 46 die Unverletzlichkeit des Privateigentums festgeschrieben ist – das ist völkerrechtlich verbindlich – und in deren Artikel 47 explizit steht, dass das Privateigentum im Kriegsfall und im Kapitulationsfall nicht eingezogen werden darf.

Darüber hinaus wird in der Haager Landkriegsordnung festgehalten, dass Privateigentum weder geplündert noch zerstört werden darf und – das ist auch entscheidend! – dass Zivilpersonen aus dem besetzten Gebiet weder verschleppt noch umgesiedelt werden dürfen. – Das ist geltendes Völkerrecht!

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie die Republik Österreich mit einem Botschafter, der im Ausland mit Sachunkenntnis an die Öffentlichkeit geht, verfahren würde, ich weiß nicht, wie Sie, Frau Bundesministerin, da verfahren würden. Ich halte es für schlichtweg naiv, wenn ein namhafter Repräsentant eines Staates, in diesem Fall ein Botschafter, so agiert. Wie kann


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