Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 103. Sitzung / Seite 126

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deutung habe. Andere können sich gar nicht erinnern. Niemand übernimmt die Verantwortung, und niemand argumentiert so wie viele führende Wirtschaftswissenschaftler in den letzten Wochen, Monaten und Jahren, dass das ein gutes Konzept sei.

Ich wundere mich schon über die Schamgrenze dieser Regierung, über das, was Ihnen peinlich ist und was Ihnen nicht peinlich ist. Es war Ihnen nicht peinlich, die Studiengebühren einzuführen. Es war Ihnen nicht peinlich, Unfallrenten zu besteuern, die Steuerquote auf den höchsten Stand in der Zweiten Republik hinaufzudrehen. Es ist Ihnen überhaupt nicht peinlich, Abfangjäger zu kaufen. Es ist Ihnen aber peinlich, ein Ökosteuer-Konzept, eine ökosoziale Steuerreform vorzustellen und zu diskutieren, die Arbeit schafft und Umwelt entlastet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist eine echte "Wenderegierung", die sich von den eigenen Konzepten zum ehestmöglichen Zeitpunkt wieder abwendet, die sich von guten Konzepten abwendet. Und um den Freiheitlichen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, die Gedächtnisschwächen, die es hier gibt, zu überwinden: Sie wissen nicht, wozu Sie zugestimmt haben, Frau Vizekanzlerin. Sie haben überhaupt vergessen, dass Sie im Ministerrat zugestimmt haben. Sie bezeichnen das als etwas Unverbindliches, Luftiges, Ministerratsbeschlüsse seien nicht verbindlich.

Aber, Frau Vizekanzlerin und liebe KollegInnen von den Freiheitlichen und lieber Herr Kollege Schweitzer, die alle irgendwie meinen, dass das Böse von der ÖVP kommt, die habe Ihnen hier etwas untergejubelt: Der Ministerratsvortrag wurde von fünf Ministerien eingebracht, er wurde über Wochen und Monate zwischen allen befassten Ministerien akkordiert und abgesprochen. Und die fünf Minister, die diesen Beschluss – und es ist ein Beschluss und nicht nur ein Zur-Kenntnis-Bringen: "Die Bundesregierung wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen, die zu Grunde liegende österreichische Strategie beschließen und den Bundesminister für Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit der Koordination des Umsetzungsprozesses beauftragen." – unterzeichnet haben, waren Herr Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Martin Bartenstein, Benita Ferrero-Waldner, und Matthias Reichhold und Herbert Haupt.

Das Böse kommt da also nicht aus den ÖVP-Reihen, sondern Sie haben ein Konzept, das Sie selbst mit eingebracht haben, selbst mit ausgearbeitet haben, innerhalb von ein paar Wochen als völlig aus der Luft gegriffen bezeichnet. Sie können sich nicht mehr daran erinnern. Also wenn das nicht eine peinliche Steuerdebatte ist, dann weiß ich nicht, was eine wäre! (Beifall bei den Grünen.)

Aber nun zur ÖVP. – Ein Umweltminister, der sich von seinen eigenen Konzepten innerhalb so kurzer Zeit wieder verabschiedet, das ist wohl bemerkenswert. Was mich aber besonders betrübt: Die ÖVP ist immer in der Tradition einer ökosozialen Marktwirtschaft gestanden, die ökosoziale Marktwirtschaft wird von der ÖVP immer als eigene Erfindung beansprucht. Die ÖVP, die immer davon spricht, Nachhaltigkeit, Naturnähe in der Landwirtschaft, in der Energiepolitik zu fördern, diese ÖVP schafft es, sich von einer Freiheitlichen Partei Konzepte ausreden zu lassen, ordnet sich einer Wahlkampfdiskussion unter, in der es ausschließlich um eine banale Frage geht, die mit Zukunftsorientierung nichts zu tun hat, nämlich darum, wer die bessere Steuersenkungspartei ist. Und das, nachdem Sie es geschafft haben, die höchste Steuerquote der Zweiten Republik einzuführen!

Herr Umweltminister! Wenn Sie sich von Ihren eigenen Arbeiten, von diesem Antrag, von diesem Text, der aus Ihrem eigenen Ressort, aus Ihrer eigenen Feder stammt, heute auch hier im Plenum distanzieren, dann ist das das Ende Ihrer Glaubwürdigkeit als Umweltminister. Ich kann das nicht anders bewerten. (Beifall bei den Grünen.)

Zur ökosozialen Steuerreform an sich: Das ist eine sehr, sehr wichtige Frage. Ich würde mir wünschen, dass wir eine ernsthaftere Diskussion im Rahmen der Steuerreformdiskussion führen könnten. Mir kommt vor, die Aussagen, die es in den letzten Wochen und Monaten dazu gegeben hat, sind so einzuordnen, dass sich viele Leute in den Regierungsparteien, aber auch in der Bundesregierung mit diesem Konzept überhaupt nicht ernsthaft auseinander gesetzt


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