Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 72

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Die Südtiroler Autonomie hat Vorbildwirkung für Europa in mehrfacher Hinsicht, vor allem im Hinblick auf die Lösung von Minderheitenfragen in verschiedenen europäischen Staaten. Minderheitenfragen kann man nie mit Minimallösungen oder mit Mittelmaß lösen, sondern hier ist in Europa noch vieles zu tun, und Südtirol kann hier ein Vorbild sein. Ich habe bei meinen Gesprächen in Rom vor kurzem, auch mit verschiedenen Regierungsmitgliedern, die Überzeugung vertreten, dass wir, Österreich und Italien, gemeinsam, auch beim EU-Konvent, die Festlegung von Mindeststandards für die Minderheitenpolitik in Europa vorantreiben sollen, weil das wirklich ein dunkler Punkt in der europäischen Entwicklung ist, dass die Grundrechtskommission es nicht zustande gebracht hat, diese für das friedliche Zusammenleben in Europa so wichtige Frage entsprechend zu lösen.

Gerade diejenigen, die immer so gerne auf die europäischen Werte verweisen und diese immer im Munde führen, sollten genau in dieser Frage auch entsprechend unterstützend tätig sein. Es ist das auch ein Appell nicht nur an die jetzigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auch an jene, die Mitglied dieser Gemeinschaft werden wollen, an unsere Nachbarn im Osten und Südosten, dem Beispiel Österreichs und Italiens zu folgen und anstehende Probleme zu lösen, damit man frei und ohne innere Vorbehalte und Belastungen aus der Vergangenheit in eine gemeinsame Zukunft in Europa gehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Recht auf Heimat und das Selbstbestimmungsrecht der Völker – das Frau Kollegin Lichtenberger, muss ich Ihnen sagen – haben nichts, aber schon gar nichts mit Nationalismus zu tun, sondern sind unverzichtbarer Bestandteil des friedlichen Zusammenlebens der Völker in Europa! (Abg. Dr. Lichtenberger: Das wäre schön!) Ihren Worten habe ich entnommen, dass Sie das nicht verstanden haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Europaregion Tirol ist kein Blick zurück, sondern sie ist ein Vorbildmodell für die Zukunft in Europa und für die Stärkung der Regionen und auch für die Vertretung der regionalen Interessen in diesem Europa. Das unterstütze ich mit ganzem Herzen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man muss jeder Versuchung widerstehen – Frau Abgeordnete Haller hat schon darauf hingewiesen –, unter Berufung auf den Zeitgeist die Prämissen der Südtirol-Autonomie in einzelnen Punkten leichtfertig in Frage zu stellen. An der Substanz der Autonomie, die die Identität der Sprach- und Volksgruppen sichert, muss daher weiter entschieden festgehalten werden. Die österreichische Bundesregierung wird auch weiterhin ihre Schutzmachtfunktion auf der Grundlage des Pariser Abkommens, und zwar nicht nur aus Verpflichtung, sondern aus ganzem Herzen, erfüllen. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter DDr. Niederwieser. – Bitte.

12.42

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Freunde aus Südtirol! Hohes Haus! Wenn der österreichische Nationalrat seine Tagesordnung unterbricht, um sich eigens dem Thema Südtirol zu widmen, dann wohl deshalb, weil wir uns als österreichischer Nationalrat immer noch und auch in Zukunft unserer Verantwortung bewusst sind, die wir für Südtirol tragen, und weil wir auch heute daran denken, dass Südtirol bis 1919 ein Teil Tirols und ein Teil Österreichs gewesen ist.

Aber wenn wir in einer so ernsten Situation zusammenkommen und überlegen, was in den letzten zehn Jahren passiert ist, dann lohnt sich auch der Blick in die Zukunft. Ich sage ganz offen: Unsere Erwartungen für die nächsten zehn Jahre sind nicht so gut wie die für die letzten zehn Jahre. Es wäre falsch, von der Geschichte zu reden und Teile davon wegzulassen, Kollege Khol oder auch Kollegin Haller.

Was ist das Problem, das den Südtirolern in den letzten Monaten tatsächlich große Sorgen bereitet hat? Wieso hat eine Partei wie die Südtiroler Volkspartei, die an und für sich eine ziemlich


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