Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 246

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Frau Abgeordnete Lunacek wird sich noch zu Wort melden, und ich nehme an, dass sie darauf eingehen wird. Ich möchte deshalb gerade auf den Jugendschutz sofort persönlich eingehen. In dieser begleitenden Regelung des § 207b ist vorgesehen, dass Menschen geschützt werden, die bedauerlicherweise eine "mangelnde Reife" – und mit diesem Begriff kann die österreichische Justiz erfahrungsgemäß seit Jahrzehnten umgehen – aufweisen und missbraucht werden, insbesondere von Menschen, die ihre altersbedingte Überlegenheit ausnutzen. Wenn Sie meinen, das sei nicht schutzwürdig, dann sagen Sie es klar und deutlich. Ich bin der Meinung, dass das sehr wohl eine schutzwürdige Personengruppe ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Ich weiß nicht, wie oft Sie schon sexuell missbrauchte Menschen gesehen haben. Bei mir im Ministerium war gestern eine Gruppe von sieben geschädigten jungen Menschen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist sehr unseriös, was Sie da machen!) Es ist bedrückend, wenn man diese Menschen sieht (Abg. Dr. Fekter: Sie wollen die Wahrheit nicht hören!), weil es eine Tatsache ist, dass gerade junge Menschen, die eine verzögerte persönliche Reife aufweisen, primär Opfer von Tätern sind, die sexuellen Missbrauch an ihnen begehen.

Das ist der Beginn von sexuellen Erlebnissen, der Beginn von sexuellem Missbrauch, den sie oft ein Leben lang nicht loswerden. (Abg. Schieder: Und das gilt bis 18, und über 18 gilt das nicht?)  – Nein, Sie irren Herr Abgeordneter! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Dieser Schutz dauert bis zum 16. Lebensjahr, und geschützt werden solche Menschen, die eine verzögerte Reife aufweisen, die also dieses Schutzes bedürfen. Sie können sich hier herstellen und sagen: Diese Menschen wollen wir nicht schützen. – Ich sage: Ich will diese Menschen schützen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die österreichischen Gerichte können mit Begriffen wie "altersbedingte Überlegenheit" durchaus umgehen. Es ist ein unzulässiger Angriff auf unsere Richter, auf ihre Intelligenz und ihre Erfahrung, zu sagen, die Richter könnten mit diesen Begriffen nicht umgehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie können auch sagen, dass Sie Menschen, die noch nicht 16 Jahre alt und in einer Zwangslage sind, nicht geschützt haben wollen. Immer wieder wird dasselbe Beispiel gebracht: Jemand reißt von zu Hause aus, kommt ohne Geld am Westbahnhof an. Er befindet sich in einer Zwangslage. Wollen Sie ihn ungeschützt lassen? Bitte, dann sagen Sie es, und treten Sie hierher! – Wir wollen ihn schützen! (Abg. Schieder: Was ist mit einem 30-Jährigen ohne Geld, den wollen Sie nicht schützen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Ich kann leider nicht auf jede Themaverfehlung eingehen, es tut mir Leid.

Letzter Punkt: Wir wollen auch diejenigen schützen, die noch nicht 18 Jahre alt sind und die gegen Entgelt sexuell missbraucht werden. Ich meine, auch das ist richtig. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage Ihnen auch, warum wir diese Regelung so schnell machen: Weil es sich, wie Frau Abgeordnete Mag. Stoisits gesagt hat, sehr wohl um menschliche Schicksale handelt, und wir wollen deshalb die Aufhebung des § 209 StGB vorziehen, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Jarolim: Hätten Sie ihn doch einfach abgeschafft! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen und Gegenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Das ist ein heikles Thema. Es ist 22.30 Uhr, und da besteht immer ein wenig Gefahr, dass sich da etwas aufschaukelt. (Abg. Dr. Trinkl: Beim Jarolim! – Abg. Dr. Jarolim: Es geht um die Bilder, die da in den Raum gestellt werden! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ einerseits und der ÖVP und den Freiheitlichen andererseits.) Einer nach dem anderen! Jetzt ist Herr Minister Böhmdorfer am Wort, dann folgt eine tatsächliche Berichtigung.

Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, fortzusetzen.


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