Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 24. Sitzung / Seite 14

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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Eva Gla­wischnig. Gewünschte Redezeit: 10 Minuten. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.

 


9.16

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte gern Ihre Aufmerksamkeit von der Agrarpolitik weg zur Um­weltpolitik lenken; zur Agrarpolitik wird unser Landwirtschaftssprecher dann ausführlich reden.

Bei der Umweltpolitik möchte ich jetzt ein Thema herausgreifen, das im Moment eine sehr dramatische Entwicklung genommen hat, und ich möchte hier sozusagen auf ein Quartett von Problemen aufmerksam machen, auf Probleme, bei denen ich den Ein­druck habe, dass diese Bundesregierung und auch der Herr Umweltminister diese Dramatik bislang nicht erkannt und wichtige Weichenstellungen übersehen haben. Und sie haben das alles ohne jegliche Aktivität – wie das jedoch im Sinne der österreichi­schen Bevölkerung wäre, nämlich eine offensive Anti-Atom-Politik zu betreiben – ge­schehen lassen.

Vor allem auf europäischer Ebene stehen sehr wichtige Entscheidungen an; eine da­von ist die europäische Verfassung. Nach über zwei Jahre dauernder Diskussion gibt es einen ersten Vorschlag hiezu, und insbesondere was die Fortführung des EURATOM-Vertrags betrifft, befinden wir uns in einer sehr, sehr heiklen Situation – das je­doch leider völlig unbemerkt von der österreichischen Bundesregierung!

Da gibt es noch eine „Galgenfrist“ – der erste Teil des Vorschlages für die neue Ver­fassung ist bereits abgeschlossen –, es wurden nämlich alle heiklen Punkte auf Juli verschoben. Was jedoch EURATOM betrifft, stehen wir vor dem worst case.

Es gibt einen Vorschlag von Giscard d’Estaing, der vorsieht, den gesamten EURATOM-Vertrag – mit allen Bestimmungen, auch mit dem großen Ziel, das in den An­fangsparagraphen steht, nämlich die Schaffung einer mächtigen Kernindustrie – in der EU-Verfassung zu verankern, und zwar geht es da um ausschließlich technische An­passungen an die neuen Institutionen, jedoch ohne irgendeine inhaltliche Aufarbei­tung dieses über 50 Jahre alten und völlig anachronistischen Vertragswerkes.

Im EU-Konvent haben wir es mit der Situation zu tun, dass zwar einzelne Mitglieder, einzelne Gruppen sehr wohl eine Diskussion darüber führen wollten, aber Giscard d’Estaing das, sehr autoritär eben, völlig ignoriert! Wenn es bis zum Ende dieses Dis­kussionsprozesses im Juli keinen massiven Vorstoß von Österreich aus gibt, dann müssen Sie auch der österreichischen Bevölkerung erklären, dass in der europäischen Verfassung die Förderung der Atomenergie auf immer und ewig festgeschrieben ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie gerne fragen, Herr Umweltminister: Welche Initiativen hat Österreich da gesetzt? Was hat Bundeskanzler Schüssel diesbezüglich getan, was haben die österreichischen Vertreter im EU-Konvent gemacht? Was haben Sie persönlich gemacht, Herr Umweltminister? Was ist für die insgesamt noch verblei­bende Zeit, für diese „Galgenfrist“ also geplant, um dieses sehr ernste Problem zumin­dest ansatzweise in den Griff zu bekommen? (Beifall bei den Grünen.)

Um diese Dramatik nur noch einmal zu beschreiben: Selbstverständlich wollen wir alle eine europäische Verfassung, aber ich glaube nicht, dass die österreichische Bevölke­rung eine europäische Verfassung möchte, mit der milliardenschwere Förderungen von Atomkraftwerken weiter fortgeführt werden. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Das zweite Problem in diesem Quartett von Problemen: Bereits seit Monaten hängt über uns wie ein Damoklesschwert die Aufstockung der EURATOM-Kreditmilliarden um nochmals eine Milliarde €, und zwar explizit für neue Atomkraftwerke beziehungs­weise für Atomkraftwerke, die nicht fertig gebaut sind und als Ruinen, vor allem in


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