Präsident Dr. Andreas Khol:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig. Gewünschte
Redezeit: 10 Minuten. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.
9.16
Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte gern Ihre Aufmerksamkeit von der Agrarpolitik weg zur Umweltpolitik lenken; zur Agrarpolitik wird unser Landwirtschaftssprecher dann ausführlich reden.
Bei der
Umweltpolitik möchte ich jetzt ein Thema herausgreifen, das im Moment eine sehr
dramatische Entwicklung genommen hat, und ich möchte hier sozusagen auf ein
Quartett von Problemen aufmerksam machen, auf Probleme, bei denen ich den Eindruck
habe, dass diese Bundesregierung und auch der Herr Umweltminister diese
Dramatik bislang nicht erkannt und wichtige Weichenstellungen übersehen haben.
Und sie haben das alles ohne jegliche Aktivität – wie das jedoch im Sinne
der österreichischen Bevölkerung wäre, nämlich eine offensive Anti-Atom-Politik zu
betreiben – geschehen lassen.
Vor allem
auf europäischer Ebene stehen sehr wichtige Entscheidungen an; eine davon ist
die europäische Verfassung. Nach über zwei Jahre dauernder Diskussion gibt es
einen ersten Vorschlag hiezu, und insbesondere was die Fortführung des EURATOM-Vertrags
betrifft, befinden wir uns in einer sehr, sehr heiklen Situation – das jedoch
leider völlig unbemerkt von der österreichischen Bundesregierung!
Da gibt
es noch eine „Galgenfrist“ – der erste Teil des Vorschlages für die neue
Verfassung ist bereits abgeschlossen –, es wurden nämlich alle heiklen
Punkte auf Juli verschoben. Was jedoch EURATOM betrifft, stehen wir vor dem
worst case.
Es gibt
einen Vorschlag von Giscard d’Estaing, der vorsieht, den gesamten EURATOM-Vertrag –
mit allen Bestimmungen, auch mit dem großen Ziel, das in den Anfangsparagraphen
steht, nämlich die Schaffung einer mächtigen Kernindustrie – in der
EU-Verfassung zu verankern, und zwar geht es da um ausschließlich technische Anpassungen
an die neuen Institutionen, jedoch ohne irgendeine inhaltliche Aufarbeitung
dieses über 50 Jahre alten und völlig anachronistischen Vertragswerkes.
Im
EU-Konvent haben wir es mit der Situation zu tun, dass zwar einzelne
Mitglieder, einzelne Gruppen sehr wohl eine Diskussion darüber führen wollten,
aber Giscard d’Estaing das, sehr autoritär eben, völlig ignoriert! Wenn es bis
zum Ende dieses Diskussionsprozesses im Juli keinen massiven Vorstoß von
Österreich aus gibt, dann müssen Sie auch der österreichischen Bevölkerung
erklären, dass in der europäischen Verfassung die Förderung der Atomenergie auf
immer und ewig festgeschrieben ist.
In diesem
Zusammenhang möchte ich Sie gerne fragen, Herr Umweltminister: Welche
Initiativen hat Österreich da gesetzt? Was hat Bundeskanzler Schüssel
diesbezüglich getan, was haben die österreichischen Vertreter im EU-Konvent
gemacht? Was haben Sie persönlich gemacht, Herr Umweltminister? Was ist für die
insgesamt noch verbleibende Zeit, für diese „Galgenfrist“ also geplant, um
dieses sehr ernste Problem zumindest ansatzweise in den Griff zu bekommen? (Beifall
bei den Grünen.)
Um diese Dramatik nur noch einmal zu beschreiben: Selbstverständlich wollen wir alle eine europäische Verfassung, aber ich glaube nicht, dass die österreichische Bevölkerung eine europäische Verfassung möchte, mit der milliardenschwere Förderungen von Atomkraftwerken weiter fortgeführt werden. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)
Das zweite Problem in diesem Quartett von Problemen: Bereits seit Monaten hängt über uns wie ein Damoklesschwert die Aufstockung der EURATOM-Kreditmilliarden um nochmals eine Milliarde €, und zwar explizit für neue Atomkraftwerke beziehungsweise für Atomkraftwerke, die nicht fertig gebaut sind und als Ruinen, vor allem in