Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 47

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In diesem Sinne bekennt sich auch meine Fraktion – kritisch, aber konsequent – zu diesem Projekt eines friedlichen, eines gemeinsamen, eines geeinten Europas. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung wird eingestellt. – Herr Abgeordneter, bitte.

 


10.47

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal ergibt es sich, dass man seine Rede damit beginnen muss, dass man sich den Ausführungen der Vorredner anschließt. Es besteht auch nach unserer Meinung kein Zweifel, dass wir historische Daten schon hinter uns haben und uns in einer Periode befinden, die spätere Generationen mit dem Etikett „historische Tragweite“ versehen werden: Kopenhagen im Dezember 2002: Abschluss der Ver­handlungen; Athen im April 2003: Unterzeichnung der Verträge; jetzt der beginnende Ratifizierungsprozess und der Abschluss, wenn man so will, der vorläufige Abschluss, mit den gemeinsamen Wahlen zum EU-Parlament in einem Jahr.

Der Erweiterungsprozess der EU ist auf Schiene und unaufhaltbar – und so soll es auch sein, das möchte ich der einen oder anderen Kollegin aus dem freiheitlichen Klub mitteilen. Frau Abgeordnete Rosenkranz war sich vorgestern, glaube ich, ziemlich sicher, dass sie heute nicht zustimmen wird; ich hoffe, sie hat es sich inzwischen anders überlegt.

Der Prozess, der hier abläuft, ist etwas, was es, glaube ich, weltgeschichtlich in dieser Form noch nicht gegeben hat. Der Vorspann sozusagen, also das endgültige Fallen des Vorhanges, der 40, 50 Jahre lang Europa getrennt hat – ob er nun eisern war oder nicht –, das, was 1989 begonnen hat, findet nun sein vorläufiges Ende; sein vorläufi­ges Ende, weil ja Bulgarien, Rumänien und andere Länder, insbesondere auf der Balkanhalbinsel, derzeit noch nicht beitreten werden, aber dies zweifellos später tun werden.

Für die drei baltischen Länder, die Herr Klubobmann Scheibner mit Recht hier beson­ders hervorgehoben hat, für Polen, Ungarn, die Tschechische Republik und so weiter, für all diese Länder, die bis vor 14 Jahren im direkten Einflussbereich des sowjetischen Imperiums gestanden sind, ist das ein wesentlicher und, ich möchte das hinzufügen, ein nicht selbstverständlicher Schritt, wenn man bedenkt, dass sie bis vor 14 Jahren auf wesentliche Souveränitätsrechte haben verzichten müssen und nun der Europäi­schen Union beitreten, was ja bis zu einem gewissen Grad formal wieder mit dem Ver­zicht auf Souveränitätsrechte verknüpft ist. Aber trotzdem machen sie diesen Schritt (Abg. Mag. Molterer: Freiwillig!), und das ist nur zu begrüßen und zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Mag. Mol­terer.)

Ich freue mich, dass, wenn ich richtig zugehört habe, keiner meiner Vorredner das Wort „Osterweiterung“ erwähnt hat, sondern „Erweiterung der Union“. Nur zur Erinne­rung: Prag liegt geographisch westlicher als Wien. Und manchmal fragt man sich, ob es nur geographisch so ist.

Hinsichtlich dieses friedlichen Zusammenwachsens eines Kontinents oder von drei Vierteln eines Kontinents – vorläufig – frage ich mich manchmal: Erleben wir das trotz der Verletzungen der vergangenen Jahrhunderte, zuletzt im Zweiten Weltkrieg, oder wegen dieser Verletzungen? Es ist ja nicht so, dass wir nur im 20. Jahrhundert ein­ander die Köpfe eingeschlagen hätten, sozusagen, das war ja in den Jahrhunderten


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