Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 43

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10.14

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist das nun die erste ordentliche Sitzung des Nationalrates nach der Sommerpause. Diese ist in der Präsi­diale gut vorbereitet worden. Wir haben uns gut überlegt, welche Tagesordnungs­punkte an den Anfang der Tagesordnung gestellt werden. Das ist in der Präsidiale am 18. September ausführlich beraten und so auch beschlossen worden.

Da von Regierungsseite wenige beschlussreife Vorlagen eingetroffen sind, kann man annehmen, dass man nicht mehr beschlussreife Vorlagen zustande gebracht hat, wes­halb auf den zweiten Tag verzichtet wird. Es hat einen großen Konsens gegeben, dass ein wichtiger Tagesordnungspunkt, der 85 000 junge Leute betrifft, an die Spitze dieser Tagesordnung gestellt wird und ausführlich diskutiert wird. (Beifall bei den Grünen.)

Mein Wunsch war auch, dass die Debatte über diese Vorlage, die so viele junge Leute betrifft, vor dem Hintergrund der ganzen Generationendiskussion, die wir jetzt hatten, vom ORF übertragen wird.

So, was ist dann passiert? – Gestern, völlig überraschend, kommt zu Mittag im grünen Klub die Mitteilung herein, dass sich der Bundeskanzler und auch der Vizekanzler ganz spontan dazu entschlossen haben, im Parlament eine Erklärung über die Prioritäten in der Herbstarbeit abzugeben. – Wir hatten das schon einmal, nämlich im Juli vor der Sommerpause. Sie erinnern sich, es gab drei Tage lang Plenarsitzung, es ist sehr schwer gewesen, den Finanzminister ins Parlament zu bringen, auf Grund seines dich­ten Terminkalenders – am dritten Tag war es dann endlich möglich. Und auch damals: Blitzartig fällt es dem Bundeskanzler ein, er möchte eine Erklärung zur wirtschaftlichen Lage der Nation abgeben, die im Wesentlichen nicht aktueller war als der Bericht, der ein halbes Jahr vorher vom Wirtschaftsministerium publiziert worden ist. (Beifall bei den Grünen.) – Gleichzeitig langt die Bitte des ORF ein, diese Debatte auch übertra­gen zu dürfen.

Wir haben das damals sehr ausführlich kritisiert, und es hat auch in der Präsidiale die Übereinkunft gegeben – ich möchte das zitieren –, dass „der Präsident“ des National­rates „den Bundeskanzler darauf hinweisen“ wird, „dass so kurzfristig abgegebene Er­klärungen die Ausnahme bleiben sollen“. – Mittlerweile wird es die Regel. Es ist die zweite Sitzung, wo das passiert. Es ist die Regel und nicht die Ausnahme.

Ich denke, es gibt dafür drei unterschiedliche Erklärungen, warum das so ist. Die eine ist – ich glaube, das wird es wohl nicht sein –: Der 23. September ist der Herbstbeginn, und schlagartig fällt es dem Bundeskanzler ein: Jetzt veranstalten wir eine Diskussion im Parlament über unsere Herbstschwerpunkte! – Das, glaube ich, wird es nicht sein.

Daher ist eine zweite Erklärung sehr wahrscheinlich: Wir haben in vier Tagen Land­tagswahlen in Oberösterreich und in Tirol. Die Situation der Bundesregierung ist nicht die beste. (Abg. Scheibner: Eure Aktuelle Stunde hat mit den Wahlen natürlich über­haupt nichts zu tun!) Ich möchte nicht verhehlen, ich diskutiere gern mit dem Bundes­kanzler über die Situation der Bundesregierung (Abg. Großruck: Dann nützen Sie die Chance der Diskussion!), über ihre Handlungsfähigkeit, darüber, warum eine Steuerre­form nicht zustande kommt, warum ein Familienpaket nicht zustande kommt, warum ein Klimaschutzpaket nicht zustande kommt (Abg. Scheibner: Das können Sie ja dann alles diskutieren!), aber ich und die gesamte grüne Fraktion, wir akzeptieren es nicht, dass das Parlament zu einer Kulisse, zu einer verlängerten Pressekonferenz des Bun­deskanzlers wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Letztendlich die dritte Erklärung, und das ist meiner Meinung nach eine schwerwiegen­dere Angelegenheit, da geht es um politische Kultur, um demokratiepolitische Kultur: Die Sitzung ist gut vorbereitet gewesen, wir arbeiten in der Präsidiale gut zusammen,


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