Anstatt klar zu stellen, dass diese
pauschale Abqualifizierung der Jugend als egozentrische Partygeneration ein
Fehler war, legte Gehrer am 26. August gegenüber der APA nach: „Kann es
das Lebensziel sein, nur das höchste Einkommen zu lukrieren, bringt dir das
später die höchste Befriedigung, dass du eine Ferienwohnung in Ibiza und ein
Domizil in Lech hast?“ Es mutet schon fast skurril an, dass es Gehrer traurig
fand, dass man in Österreich offensichtlich keine Sachdiskussion führen könne,
nach dem sie eine Polemik nach der anderen vom Stapel ließ.
Unterstützung bei der Argumentation aus
der untersten Schublade erhielt Gehrer von ihrem Kollegen Ernst Strasser, der
sich ebenfalls als nicht fachzuständiger und obendrein völlig falsch
informierter Minister in einer Polemik gegen Ganztagsschulen übte. In einem
Standardinterview vom 3. September meinte er: „Die Ganztagsschulen sind
eine der großen Misserfolge sozialdemokratischer Politik in Deutschland, die zu
Verelendung, Anonymisierung und vandalisierenden Jugendlichen in den
Großstädten geführt hat. Dieses Konzept ist gescheitert.“
Dabei spielt es für Strasser offenbar
keine Rolle, dass mit nur 3 % ein verschwindend geringer Anteil der
Schulen in Deutschland ganztägig geführt wird und die Anstrengungen in diese
Richtung erst intensiviert werden, weil die bildungspolitisch innovativen
Länder Skandinaviens als Vorbild gelten und deren Erfolge unübersehbar sind.
Nach dem Schock, den die Ergebnisse der „PISA-Studie“ auslösten, setzt man in
Deutschland nun große Hoffnungen auf die Ganztagsschule. Anfang September gab
es den Startschuss zu einem Förderprogramm für Ganztagsschulen im Ausmaß von
4 Mrd. €.
Gerade internationale Vergleiche zeigen
den dringenden Handlungsbedarf der Bildungsministerin.
Die
Herkunft ist in Österreich nach wie vor das zentrale Kriterium für den
Bildungsweg.
Kinder aus weniger begüterten Familien
mit niedrigem Bildungsstand der Eltern haben nach wie vor deutlich weniger
Chancen im österreichischen Bildungssystem als jene aus sozioökonomisch
bevorzugtem Umfeld. Das zeigen Daten aus der internationalen
Bildungsvergleichsstudie „PISA“ und Studien des Instituts für
Bildungsforschung.
Der von Österreich zusätzlich
durchgeführte Vergleich der Ergebnisse der „PISA-Studie“ zwischen den zehn
reichsten Staaten Europas zeigt sehr deutlich die hohe Abhängigkeit der
SchülerInnenleistungen von der Schulbildung der Eltern. In Finnland, dem
Spitzenreiter in der „PISA“-Studie, beträgt der durchschnittliche
Leistungsunterschied zwischen SchülerInnen, deren Eltern der höchsten
Bildungsschicht angehören, und jenen, deren Eltern der niedrigsten
Bildungsschicht angehören, 39 Punkte, in Irland sind es 37,5 Punkte.
In Österreich sind es dagegen 91,5 Punkte. Eine Stufe in der fünfteiligen
PISA-Skala beträgt 41 Punkte. Während es einigen Ländern also gelingt,
die Unterschiede innerhalb einer Stufe zu halten liegt der durchschnittliche
Unterschied in Österreich bei weit mehr als 2 Stufen.
In allen neun Ländern, die in der
PISA-Studie bei der Lesekompetenz vor Österreich rangieren, bestehen die
Leistungsunterschiede vorwiegend innerhalb einer Schule. In Österreich dagegen
sind die Unterschiede zwischen den Schulen viel größer. Das ist das Ergebnis
der frühzeitigen Selektion in Österreich nach der vierten Klasse Volksschule.
Auch in der PISA-Studie wird der „Abbau der sozioökonomischen Segregation
zwischen den Schulen“ als mögliche Strategie dargestellt, um dem Problem der
Unterschiede zwischen den Schulen beizukommen.
Dass der größte Einfluss auf die Bildungskarriere der Kinder vom Bildungsniveau der Eltern ausgeht, belegen auch Studien des Österreichischen Instituts für Familienforschung. Demnach maturieren 80 Prozent der Kinder von Akademikern. Bei Kindern von Eltern mit Pflichtschulabschluss sind es hingegen nur zehn Prozent – ein Verhält-