Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 134

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der Jugend, dass ich sagen muss, ich bin persönlich bereits davon betroffen, dass Sie das nicht einsehen wollen und von dieser Diskussion nicht heruntersteigen.

Eine Wertediskussion zum Thema Generationenvertrag wäre eine interessante De­batte gewesen, aber Sie haben diese durch diesen haarsträubenden Unsinn, durch diese Zurückführung auf ein Familienbild, auf eine Wertediskussion, die, so glaube ich, Österreich im 21. Jahrhundert einfach nicht mehr verdient, völlig verunmöglicht.

Ich denke, etwas könnten wir einmal außer Streit stellen – und ich würde Sie dazu ein­gehend auffordern –, heute und auch in Zukunft: Es gibt so etwas wie eine private Seite bei der Familienplanung. Es gilt das Prinzip Selbstbestimmung, wenn es um die Entscheidung geht, ob man eine Familie gründen will oder nicht. Und auch jemand, der das nicht möchte, erfüllt seine BürgerInnenpflichten. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Muttonen.)

Es ist dies eine höchst persönliche Entscheidung – und keine BürgerInnenpflicht. (Abg. Amon: Frau Dr. Glawischnig, das hat niemand in Frage gestellt!)

Ich denke, wenn man über die Zukunft des Landes diskutieren will, dann gibt es dafür wahrlich andere Themen: 80 Prozent der Frauen wünschen sich tatsächlich Kinder, wollen eine Familie gründen, aber nur 45 Prozent der 15- bis 45-Jährigen kommen diesem Wunsch auch nach. Dieses Auseinanderklaffen zwischen Realität und Wunschvorstellung hat auch Ursachen, und das sind die Rahmenbedingungen (Abg. Mag. Molterer: Genau diese Frage hat Gehrer gestellt! Genau das war die Frage der Frau Bundesminister!) – und nicht die Party und nicht das Domizil in Lech oder Ibiza.

Die Kunst der Politik ist nicht, zu moralisieren und sich in Appelle zu versteigen, son­dern die entsprechende Gestaltung genau dieser Rahmenbedingungen in Angriff zu nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

Nur, Herr Kollege Molterer: Von einem Idealbild, nämlich einer partnerschaftlichen Aufteilung der Betreuungspflichten, sind wir in Österreich noch meilenweit entfernt! Und: Durch diese Appelle, die Zukunft wäre gefährdet, wird kein einziger zusätzlicher Betreuungsplatz geschaffen. Die Situation ist bekannt; wir haben in Österreich, seit Jahrzehnten mittlerweile, eine dramatische Situation:

In Niederösterreich können Kinder erst ab dem dritten Lebensjahr einen Betreuungs­platz bekommen, in Vorarlberg gar erst ab dem vierten Lebensjahr. Es gibt massive Beschwerden über die Qualität. Das soll ja eine Bildungseinrichtung sein – es ist die erste Bildungseinrichtung. Es gibt massive Unzufriedenheit mit den Öffnungszeiten, und es besteht absolute Unvereinbarkeit mit dem Beruf, selbst mit Teilzeitberufen. Und wir wissen, dass Teilzeitberufe, vor allem für Frauen, sehr rasch in die Armut führen. – Kein einziger Betreuungsplatz wird durch solche moralischen Appelle geschaffen! (Bei­fall bei den Grünen.)

Der Anteil der Väterkarenz von zwei Prozent verbessert sich durch diese Ansagen auch nicht; es ist dies beschämend wenig im internationalen Vergleich. Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Dänemark oder aus Schweden, stellen oft die Frage: Warum ist das in Österreich so? Warum nehmen so wenige Väter diese Karenzmöglichkeit in Anspruch? (Abg. Dr. Brinek: Was ist Ihr Vorschlag? – Abg. Lentsch: „Männer zwingen!“)

Warum sprechen Sie moralische Appelle aus, ohne auf das wichtigste Argument, näm­lich die Einkommensfrage bei Frauen, hinzuweisen? – Der Unterschied beträgt heute um keinen Cent weniger. Die Einkommensverteilung hat sich vielmehr seit 1999, seit 2000, seit diese Bundesregierung ihre Maßnahmen gesetzt hat, noch weiter ausein­ander entwickelt. Um keinen einzigen Cent wird diese Einkommensschere kleiner!


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