Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 136

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gegeben und sind bereit, zumindest über die Betreuung an den Schulen am Nachmit­tag zu sprechen.

Aber das ist es nicht. Es geht im Wesentlichen darum, innovative, pädagogisch innova­tive Ganztagsschulsysteme zumindest einmal anzuschauen.

Und dann kommt Ihnen noch Innenminister Strasser zu Hilfe, der so etwas von krass uninformiert ist und so eine blanke Polemik betreibt, dass mir die Haare zu Berge stehen! Er behauptet nämlich im bewährten Muster der ÖVP, dass alles, was in Deutschland stattfindet, sozialdemokratische Politik sei, und das sei schlecht, das sei das rot-grüne Deutschland und so weiter; und er versteigt sich zu der Behauptung, dass Ganztagsschulen einer der großen Misserfolge sozialdemokratischer Politik in Deutschland seien, die zur Verelendung, zur Anonymisierung und zu vandalisierenden Jugendlichen in den Großstädten geführt habe. – Was er dabei vergessen hat: Es gibt in Deutschland keine Ganztagsschulen! Nur drei Prozent führen ihre Schulen ganz­tags. (Abg. Hornek: Frau Kollegin, warum? Warum?)

In Deutschland wird auf Grund des Schocks, den die PISA-Studie verursacht hat, ge­rade über Ganztagsschulen diskutiert, weil in den skandinavischen Ländern so viele Modelle mit ganztägigen Schulformen das dortige Bildungssystem – im Vergleich zu Deutschland – auszeichnen. In Deutschland diskutiert man also jetzt darüber, aber es gibt sie nicht. (Abg. Lentsch: Und warum gibt es sie nicht?)

Und was die vandalisierenden Jugendlichen betrifft, so ist auch das wieder eine pau­schale Diffamierung, auch wieder auf Kosten der jungen Generation, die sichtlich ein durchgängiges Prinzip dieser Bundesregierung ist.

Ganztägige Schulformen, Frau Ministerin, haben nichts mit Nachmittagsbetreuung zu tun, sondern dabei geht es darum, ein pädagogisch sinnvolles Ganzes zu schaffen. Ich würde Ihnen nahe legen zu lesen, was Ihr Kollege Universitätsprofessor Bernd Schil­cher in der Steiermark schreibt. In einem sehr schönen Artikel in der „Kleinen Zeitung“ vergleicht er, wie es auf der einen Seite einem österreichischen Hans geht, der in der Obersteiermark lebt, 16 Kilometer in die Schule fahren muss und einmal um 13 Uhr, einmal um 14 Uhr und vielleicht einmal um 16 Uhr aus hat, dessen Mutter berufstätig ist und der einen Zettel am Küchentisch vorfindet – und auf der anderen Seite einem John in Bradford in einer Ganztagsschule und einem Jean in Frankreich. Das ist wirk­lich sehr lesenswert, und ich denke, das sollte man ohne ideologische Scheuklappen angehen, sondern ausschließlich nach dem Kriterium, was pädagogisch das Wert­vollste für unsere Generation an Kindern ist. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiteres Problem, bei dem Sie Ihren ureigensten Aufgabenbereich sichtlich negie­ren – auf Grund Ihrer „wichtigen Wertediskussion“ –, ist die Frage: Was ist das zentrale Kriterium für den Bildungsweg? – Auch da haben wir Besorgnis erregende Zahlen, aus denen nämlich hervorgeht, dass nach wie vor Kinder aus begüterten Familien höhere Schulabschlüsse machen als Kinder aus weniger begüterten Familien (Ruf bei der ÖVP: Das ist eh klar!), dass auch die Bildung der Eltern immer noch einen sehr, sehr großen Anteil am Bildungsniveau der Kinder hat und dass Österreich hier international im Hintertreffen ist.

Man muss sich vorstellen, dass demnach in Österreich 80 Prozent der Kinder von Aka­demikern maturieren, während es bei Menschen mit Pflichtschulabschluss nur zehn Prozent der Kinder sind! – Ich denke, das wäre ein Punkt, wo man mit einer vernünfti­gen Generationendiskussion eingreifen könnte, die nämlich auf Generationengerech­tigkeit auch innerhalb einer Generation, auch zwischen den jungen Leuten abzielt. Es geht nicht nur um Jung gegen Alt, sondern es geht auch um die private Seite des Generationenvertrages und um Verteilungsfragen, die zu den zentralen Herausforde­rungen zählen.

 


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