Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 147

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Wenn Sie heute eine Politik machen, die dazu führt, dass das soziale Netz zurück­genommen wird, dass die Arbeitslosigkeit steigt (Abg. Großruck: In Wien steigt sie!), dass die Leute das Gefühl haben, man kann sich heute auf nichts mehr verlassen, dann müssen Sie damit rechnen, dass das in die Lebensplanung der jungen Menschen einfließt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Das ist auch zutiefst verantwortungs­voll von den jungen Menschen, die eine derartige Entscheidung zu treffen haben.

Welche Rahmenbedingungen finden vor allem junge Frauen vor, wenn sie die Ent­scheidung treffen? – Erst heute wieder haben wir eine Studie des Wifo präsentiert bekommen, worin junge Frauen lesen können, dass die Tatsache, dass sie ein Kind in die Welt setzen und ein Kind betreuen, für sie bedeuten wird, im Laufe ihres Lebens einen massiven Einkommensverlust in der Höhe von mindestens 107 000 € und viel höher hinzunehmen. Das ist eine wesentliche Rahmenbedingung.

Aber wenn wir uns die Diskussion über die Rahmenbedingungen in den letzten Wochen angehört haben, so bekommen wir da den Eindruck – ich habe gelernt, mich über kleine Schritte zu freuen (Abg. Scheibner: Das ist in der SPÖ auch notwendig!) –, dass es ein bisschen weitergegangen ist, zumindest in der Debatte. Ich fürchte aber, dass Sie in der Rhetorik stecken bleiben.

Der erste Punkt ist die Frage nach den Kinderbetreuungseinrichtungen. Da besteht zumindest einmal Konsens darüber, dass sie fehlen, dass sie in hohem Ausmaß fehlen. (Abg. Öllinger: Nein, Konsens ...!) Interessanterweise bleiben Sie aber bei dieser Erkenntnis stecken und sagen: Aber wir wollen sie nicht schaffen; wir wissen, dass sie fehlen, aber wir werden nichts dafür tun, sie zu schaffen. – Also leider reine Rhetorik. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Steibl: Das sagt niemand!)

Was die Ganztagsschulen betrifft, hat es einen sehr wertvollen Diskussionsbeitrag, einen Vorstoß von der steirischen ÖVP gegeben; da möchte ich nicht hintanstehen, das zu sagen. Der wertvolle Beitrag besteht darin, dass wir in der Diskussion endlich so weit kommen, dieses Thema pragmatisch zu diskutieren; einfach darüber zu disku­tieren, was pädagogisch sinnvoll ist und was die Eltern brauchen. Es tut mir sehr Leid, Frau Bundesministerin, dass Sie heute hinter diese Diskussion zurückgefallen sind und wieder von der „Zwangstagsschule“ sprechen. Sie sagen: Wahlmöglichkeit erhalten. Ich sage, Frau Bundesministerin: Wahlmöglichkeit schaffen! Es gibt in weiten Teilen Österreichs diese Wahlmöglichkeit nicht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir brauchen zusätzliche Nachmittagsbetreuungsplätze in Ganztagsschulen und ande­ren ganztägigen Schulformen für 429 000 Kinder – zusätzlich! Wir haben heute 45 000, davon zwei Drittel in Wien – das heißt, hier gibt es ein breites Betätigungsfeld. Schaf­fen Sie Wahlmöglichkeit, Frau Bundesministerin, regional und auch in unterschied­lichen Formen! Es gibt wahrscheinlich nicht die richtige Form, es gibt unterschiedliche richtige Angebote. Aber lassen Sie bitte die Ganztagsschule als wichtiges, sinnvolles pädagogisches Konzept nicht ganz außer Acht! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zu der Frage, in welche Gesellschaft man heute ein Kind setzt, hat mich ein Satz von Ulrich Beck in einem Interview neulich in der „Zeit“ sehr hellhörig gemacht. Er hat gesagt: Früher haben die jungen Menschen die Möglichkeit gehabt, sich zwischen Chancen zu entscheiden; heute müssen sich junge Menschen zwischen Übeln ent­scheiden. – Ich denke, der Satz ist ziemlich pointiert, aber er sollte uns zum Nachden­ken bringen. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Missethon.) Gute Chancen für Kinder, für junge Menschen zu schaffen, ist ein vorrangiges Anliegen der Politik, und das sollte uns hier doch einen. Die Chancengesellschaft zu erarbeiten, Schritte in diese Richtung zu setzten, das sollte Priorität in der Politik sein, auch in Ihrer Budgetpolitik – und dort fehlt sie! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

 


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