Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 209

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Aber bitte, ich sage es noch einmal: Wir gehen im Justizministerium sehr moderne Wege. Wir machen das deshalb, weil wir den Versuch unternehmen, in der öffentlichen Wirtschaft – und ich will das Problem jetzt nicht verniedlichen – auch privatwirtschaft­lich, auch in der Organisationsfrage, zu denken. Ich bin meinen Beamten, also den Be­amten der Republik Österreich, die im Justizministerium tätig sind, wirklich dankbar dafür, dass sie bei allen Möglichkeiten, effizient zu arbeiten, mitgehen.

Ich bitte aber zuzugestehen, dass man im kleinen Kreis, in einem vertraulichen, infor­mellen Gespräch auch einmal nicht zu verfolgende Gedanken äußern darf. Der Ge­danke wurde verworfen – nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Wenn das eine Verfeh­lung war, glaube ich, Ihnen nicht zustimmen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Da kann sich ein Strasser eine Ecke abschneiden!)

Damit Sie aber sehen, Frau Abgeordnete, dass wir es wirklich ernst meinen mit dem wirklichen Bedrohungsbild, das wir haben, nämlich dem Bedrohungsbild, dem die Be­völkerung ausgesetzt ist, weil die Verfahren einfach zu lange dauern: Sie dürfen nicht vergessen, dass 3 Prozent der anhängigen Zivilprozesse in erster Instanz bereits über drei Jahre – unter Anführungszeichen – „alt sind“. Das sind über 1 400 im Jahr. Das bedeutet Schicksale, das bedeutet Probleme für Familien, das bedeutet Probleme für unterhaltszahlungspflichtige Väter, das bedeutet vermehrte Kredite, das bedeutet psy­chische Belastung.

Dem müssen wir gerecht werden, und nicht nur dem: Wir stehen am Vorabend einer Osterweiterung. Wir haben ein funktionierendes Rechtssystem. Unsere Klein- und Mittelbetriebe sind darauf angewiesen, dass dieses Rechtssystem europaweit auch zwischen den Mitgliedstaaten funktioniert.

Nach diesem Gespräch habe ich mich an meine Kollegen in der EU gewendet, insbe­sondere an das den Vorsitz führende Land, und habe erreicht, dass das Problem der Verfahrensdauer als erster Tagesordnungspunkt beim neuen Vorsitz in Rom abgehan­delt wurde, mit dem Ziel – und das trifft uns selbst! –, für zu lange Verfahren eine Staatshaftung einzuführen. Das ist neu, das entspricht aber auch dem Gedanken des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

Wir gehen weiter. Wir machen auch einen Ideenwettbewerb, an dem sich alle beteili­gen mögen: Richter, Staatsanwälte, Nichtrichter, Rechtspfleger, Rechtsanwälte, Notare und Laien. Ich kann Ihnen heute sagen, dass das auf eine sehr breite Zustimmung gestoßen ist. Jeder in diesem Land soll seine Idee zur Verfahrensverkürzung und zur Verfahrensbeschleunigung äußern dürfen. Auch das ist neu. Den Vorsitz in dieser Kommission wird der Ihnen wahrscheinlich bekannte Sektionschef in Ruhe Dr. Ober­hammer führen. Der kennt sich aus. Der hat das Bild dieser modernen Justiz durch mehrere Jahrzehnte hindurch gestaltet. Wir werden unter seiner Führung die besten Ideen des Landes sammeln, und wir werden diese Gesetzgebungsperiode mit Sicher­heit mit ganz entscheidenden Maßnahmen, die zur Verfahrensbeschleunigung beitra­gen, abschließen.

Und wir werden weiterhin gemeinsam – ich weiß das, wie das hier zu sagen ist – auf dem Boden stehen, dass die Unabhängigkeit der Richter unser höchstes Gut im Rechtsstaat ist und bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. – Bitte.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite