Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 38. Sitzung / Seite 43

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Abgeordneter Dr. Christian Puswald (fortsetzend): Richtig ist, dass die völlige Neu­ordnung des Strafrechtes und des Ehe- und Familienrechtes unter Kreisky und Broda in den siebziger Jahren ein weit größeres Reformwerk war, an das diese Novelle nicht annähernd heranreicht. (Beifall bei der SPÖ.)

10.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Ich erteile Ihnen einen Ordnungs­ruf für eine vorsätzlich falsche tatsächliche Berichtigung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puswald: Den Vorsatz bitte mir zu bewei­sen, Herr Präsident! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Moser. Wunschgemäße Redezeit: 7 Mi­nu­ten. – Bitte.

 


10.15

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Dass man einen Ordnungsruf bekommt wegen einer tatsächlichen Berichtigung (Abg. Dr. Fekter: Das war keine!), die etwas großzügig ausgelegt wird, ist auch für mich eine Neuheit, obwohl ich schon mehrere Jahre hier in diesem Hohen Haus verbracht habe. – Aber nun zur Sache.

Herr Minister Böhmdorfer! Meine Damen und Herren! Das Entscheidende bei dieser heu­tigen großen so genannten Justizreform ist meines Erachtens die Tatsache, dass ein jahrelanger, vielleicht sogar ein zehn Jahre langer Prozess, der sehr wohl unter Herrn Justizminister Michalek beinahe abgeschlossen war, heute von meiner Vorred­nerin als das Werk von Herrn Minister Böhmdorfer dargestellt wird.

Frau Kollegin Fekter, lesen Sie nach, lernen Sie Geschichte, Justizgeschichte! Bitte, das ist nicht das Werk des Herrn Ministers Böhmdorfer, sondern das ist die jahrelange korrekte, sehr intensive Arbeit der Fachbeamten im Ressort, und dafür müssen wir uns auch bedanken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) – Frau Kollegin, was aber das Werk des Herrn Ministers Böhm­dorfer ist, das ist ein Zurückschrauben eines rechtlichen Reformprozesses der Zwi­schenkriegszeit. Herr Minister Böhmdorfer hat innerhalb relativ kurzer Zeit zur Regie­rungsvorlage vom 30. September, die dann am 22. Oktober dem Parlament übermittelt worden ist, Änderungen auf den Tisch gelegt, die einen Rückschritt sondergleichen in der österreichischen Rechtskultur bedeuten, nämlich jene Änderungen, die sich auf das Wohnrechtliche Außerstreitbegleitgesetz beziehen.

Es geht hier um Änderungen, die eine Qualität des österreichischen Rechtssystems aus­höhlen, unterminieren, ja den Zugang zum Recht für eine breite Schicht der Be­völkerung – und die Mehrzahl der Österreicher und Österreicherinnen sind MieterIn­nen – erschweren. Es ist nicht die Diskussion darüber zu führen, ob jemand, der in einem Zivilprozessverfahren siegt, dadurch die Kosten nicht zahlen muss, das ist nicht der Punkt, sondern der Punkt ist der, dass sich jeder traut, sich an Gerichte zu wen­den, dass sich jeder das Risiko eines Prozesses einzugehen traut. Das ist jetzt in Gefahr, denn das tatsächliche Problem besteht darin, dass diejenigen, die nicht viel verdienen und das Prozesskostenrisiko auch nicht abschätzen können, von vornherein auf ihren Zugang zum Recht verzichten.

Das ist unser großer Kritikpunkt gegenüber dem Herrn Minister Böhmdorfer, der hier Änderungen vorgenommen hat, die wirklich einen Großteil der Bevölkerung betreffen und auf der anderen Seite eine relativ kleine Schicht bevorzugen. Wer wird denn be­vorzugt durch diese Änderung? – Eindeutig diejenigen, die es sich besser richten kön­nen, die in besseren materiellen Verhältnissen leben, mehr materiellen Rückhalt ha-


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