Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 78

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Abgesehen davon ist es auch nicht erklärbar, warum die Opferrechte nicht vollständig umgesetzt worden sind. Es hätte die Möglichkeit bestanden, das jetzt zu tun. Was fehlt? – Zum einen die schonende Einvernahme aller Gewaltopfer, das sind unter anderem – zur Erinnerung – Kinder bis 14 Jahre. Schonende Einvernahme bedeutet eine Einvernahme, ohne dass der Täter dabei ist. Ein Argument im Ausschuss war immer jenes, dass sich der Richter keinen persönlichen Eindruck machen kann, wenn er das Verhalten des Opfers gegenüber dem Täter – und umgekehrt – nicht sieht, nicht live sieht. Dem halte ich entgegen: Was passiert eigentlich, wenn das Opfer die Aus­sage verweigert? – Das könnte es ja tun, und dann kann sich der Richter erst recht kein Bild machen. Aus Gesprächen mit VertreterInnen der Opferschutzeinrichtungen weiß ich, dass viele Opfer eher die Aussage verweigern, als dass sie die Aussage vor dem Täter wiederholen.

Oder der noch viel schlimmere Fall: Was passiert, wenn das Gewaltopfer – und ich weise noch einmal darauf hin: Kinder bis 14 und vor allem auch sehr viele Frauen – durch die Vernehmung mit dem Täter das Ganze noch einmal miterleben muss und noch einmal traumatisiert wird? Dient das einer Wahrheitsfindung? – Ich denke, um die Wahrheits- und die Urteilsfindung zu erleichtern, ist die getrennte Vernehmung doch mehr als logisch! Dies ist auch technisch möglich. Das muss einfach für alle Personen, die Opfer einer Gewalttat wurden – zu 90 Prozent Frauen und Kinder, ich muss das immer wieder betonen –, gelten. Die technischen Voraussetzungen sind möglich, nur der politische Wille fehlt, und das ist unnötige Quälerei der Opfer! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite ist die Nichtigkeitsbeschwerde. Einige Opferrechte sind jetzt im Gesetz verankert, und das ist gut so. Aber was nützt es, wenn es keine Konsequenzen gibt, falls sich ein Richter nicht daran hält? – Die Nichtigkeitsbeschwerde, die ja kurzfristig im Entwurf gestanden ist, würde gewährleisten, dass die Opferrechte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern wirklich umgesetzt werden können. Herr Minister, es ist nicht ehrlich, nicht konsequent und nicht mutig genug! Sie machen die Opfer zu Bittstellern, die auf den Goodwill der Behörden angewiesen sind. Sie haben sich eine Hintertür offen gelassen, um Opfer im Regen stehen zu lassen, und das ist nicht fair!

Die komplette Umsetzung der Opferrechte kostet nicht mehr Geld. Es kostet nur politischen Willen, für die betroffenen Menschen da zu sein. Sie haben diese Chance verpasst, und damit ist wieder einmal deutlich geworden, für wen wirklich die Men­schen zählen und wer für die Menschen da ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines noch zu dieser Broschüre, die heute ausgeteilt worden ist: Es ist wirklich unfass­bar, Sie sind sich Ihrer Sache so sicher! Wir haben dieses Gesetz noch nicht einmal beschlossen, und schon wird eine Broschüre gedruckt. (Abg. Jakob Auer: Damit Sie es verstehen! – Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.) – Herr Kollege! Im Ge­gensatz zu Ihnen war ich in diesem Unterausschuss und habe mich wirklich mona­telang mit dieser Materie befasst. Mir zu unterstellen, dass ich mich nicht auskenne, möchte ich wirklich hintanstellen! (Abg. Jakob Auer: Warum stimmen Sie dann dage­gen?) Ich würde sagen, schauen Sie sich das auch an; vielleicht lesen Sie sich diese Broschüre einmal durch! Doch schauen Sie sich auch den Minderheitsbericht und die Gründe an, warum wir dagegen stimmen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber ich finde es immer wieder wunderbar, wie man an diesen Beispielen das Demo­kratieverständnis dieser Regierung sieht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte. (Abg. Parnigoni – in Richtung des Abg. Auer –: Jakob, das war für dich disqualifizierend!)

 


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